Es geht um Integration

Berlin. Am Anfang stand kurz vor elf Uhr im Kanzleramt ein Fototermin: Angela Merkel ließ sich zum Auftakt des Integrationsgipfels, in dem die Kritiker ,,eine Farce" und die Veranstalter das ,,fast historische Datum" einer neuen Ausländerpolitik sehen, mit Migrantinnen und Migranten ablichten.

Mit dem Integrationsgipfel wollte die Bundeskanzlerin zwischen dem Ostsee-Treffen mit US-Präsident George W. Bush und dem G 8-Gipfel im russischen St. Petersburg gestern auch innenpolitisch ein Signal aussenden: Es wird für Ausländer in Deutschland künftig mehr getan, die Integrationspolitik wird neu ausgerichtet. Ziel des vierstündigen ,,gesellschaftlichen Dialogs" (Merkel) hinter verschlossenen Türen mit 86 Teilnehmern war es, Vertreter von Politik, Wirtschaft, Kirchen, Gewerkschaften und anderen wichtigen Organisationen sowie Zuwanderer zusammenzubringen und in einer ersten Runde offen Probleme und Lösungsansätze zu diskutieren. Besonders tief ins Detail konnten die Teilnehmer angesichts der kurzen Zeit und der komplizierten Materie ohnehin nicht gehen. Der Gipfel war vielmehr der medienwirksame Auftakt für einen Diskussionsprozess, der laut Merkel 2007 in einen ,,nationalen Integrationsplan" münden soll, in dem ,,klar und verbindlich" definiert ist, was Bund, Länder, Kommunen, Organisationen und die Migranten selbst tun müssen, damit Einbürgerung in Deutschland künftig besser gelingt. Dafür wurden gestern sechs Arbeitsgruppen eingesetzt, die, angelehnt an die betreffenden Bundesministerien, bis spätestens Mitte nächsten Jahres ihre Vorschläge präsentieren sollen. Die Themen dabei sind Integrationskurse, Förderung der deutschen Sprache, Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt, Verbesserung der Situation von Frauen und Mädchen, Stärkung der Bürgergesellschaft. Die Gesamtfederführung des Projekts liegt bei Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), der Beauftragten der Regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Ausländer sollen eine offene Tür vorfinden

Merkel und auch Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) zeigten sich in der Pressekonferenz nach den Gesprächen ,,außerordentlich zufrieden" und lobten das ,,hohe Maß an Übereinstimmung" unter den Teilnehmern. In den Arbeitsgruppen sei gleichwohl noch mit ,,schwierigen Diskussionen" zu rechnen. Die Kanzlerin betonte, es sei allgemeiner Wunsch gewesen, dass jene Ausländer, die auf Dauer in Deutschland leben wollten, ,,eine offene Tür vorfinden". Umgekehrt müssten diese aber auch ,,Anstrengungen" unternehmen, etwa was die deutsche Sprache angehe. Müntefering nannte den Gipfel ,,eine große Chance für unser Land" und unterstrich, ein Schwerpunkt müsse künftig der Kampf für bessere Ausbildung und gegen Arbeitslosigkeit bei Menschen ausländischer Herkunft sein. Die Auswahl der Gäste, die am Freitag im Kanzleramt zusammenkamen, war im Vorfeld auf heftige Kritik gestoßen, weil führende Repräsentanten muslimischer Organisationen nicht dabei sein durften. Integrationsministerin Böhmer verwies am Rande des gestrigen Treffens deshalb noch mal auf den für den Herbst von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplanten ,,Islamgipfel", wozu dann alle relevanten islamischen Kräfte eingeladen würden. Schäuble selbst, so war zu hören, habe sich ohnehin ,,gemopst", dass er bei der Organisation des Integrationsgipfels nicht stärker eingebunden wurde. Vielleicht auch deshalb seine flapsige Bemerkung vor einigen Tagen: ,,Der beste Integrationsgipfel war die Fußball-Weltmeisterschaft." Im Vorfeld des Gipfels hatte es eine Vielzahl von Aktivitäten gegeben. Nach dem Bundesrat in der Vorwoche hatten auch das Bundeskabinett am Mittwoch und die SPD zu Beginn der Woche ein Positionspapier zur Integrationspolitik vorgelegt. Mit all diesen Papieren zeichnet sich nach Jahren heftiger politischer Auseinandersetzungen in den meisten Kernbereichen der Integrationspolitik eine pragmatische Annäherung der großen Volksparteien ab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort