"Es gibt keine Sahne auf den Kuchen"

Peer Steinbrück (SPD) fährt schweres Geschütz gegen die eigenen Kabinettskollegen auf: Falls sie ihre Wünsche nicht deutlich zurückschrauben, will der Finanzminister vier besonders ausgabenfreudigen Ressorts die Hoheit über die eigenen Etats entziehen.

Berlin. Hintergrund für die historisch einmalige Drohung sind die ehrgeizigen Regierungspläne zur Haushaltskonsolidierung. Kassenwart Steinbrück will das Ziel, 2011 keine neuen Schulden aufzunehmen, unbedingt einhalten. Im Berliner Regierungsviertel wird seit geraumer Zeit gefeilscht und gerechnet. Die Ministerien haben nun bei Steinbrück ihre Haushaltsvorhaben für das kommende Jahr angemeldet. Dass die Wünsche selten mit den finanzpolitischen Zwängen korrespondieren, ist der Kassenwart gewöhnt. Aber in aller Regel kommt es auf geräuschlose Weise zu einem Kompromiss. Diesmal sind Steinbrücks Kabinettsmitstreiter allerdings besonders aufmüpfig. So beklagte sich der SPD-Politiker am Mittwochabend in aller Öffentlichkeit über den mangelnden Rückhalt in der Regierungsriege. Wenn er sich umblicke und schaue, wer ihn beim Sparen unterstütze, "dann ist da niemand", schimpfte Steinbrück auf einer Veranstaltung des Mittelstands in Berlin. Gemeint waren die Minister Michael Glos (CSU/Wirtschaft), Annette Schavan (CDU/Bildung), Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD/Entwicklungshilfe) und Wolfgang Tiefensee (SPD/Verkehr). Keine Diskussion über Wunschzettel

Über deren Wunschzettel verweigert Steinbrück nun jede weitere Diskussion. "Diese Jahr gibt es keine Sahne auf den Kuchen", heißt es in seinem Ressort. Gesprochen werde nur über die Vorgaben aus der laufenden Finanzplanung und "unvermeidliche Anpassungen". Darunter fällt zum Beispiel das vereinbarte Lohnplus im öffentlichen Dienst, das noch in die Budgets eingearbeitet werden muss. Insgesamt hatten die Ministerien ungeplante Mehrausgaben von 7,5 Milliarden Euro angemeldet. Bis 2012 summieren sich die Extrawünsche sogar auf 41 Milliarden Euro. Damit könnte Steinbrück sein Null-Schulden-Ziel vergessen. Aber nur das Innenministerium und das Außenamt haben sich bislang zu Abstrichen an ihren Etatvorstellungen bereiterklärt. Dabei ist Steinbrück eigentlich schon genug gebeutelt. Auch Beschlüsse wie die außerplanmäßige Rentenerhöhung und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Absetzbarkeit von Sozialversicherungsbeiträgen zerren am Bundesetat. Hinzu kommen die Finanzmarktkrise und die Eintrübung der Konjunktur. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung könnte Steinbrück seine Ministerkollegen tatsächlich entmündigen und ihnen ein Budget zuteilen. Voraussetzung wäre allerdings, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Kabinettsabstimmung dem Veto anschließt. Glaubt man Steinbrück, dann tickt die Regierungs-Chefin genau so wie er. Die Kanzlerin sei "eindeutig und ausgesprochen hilfreich", und das Zusammenspiel mit ihr funktioniere "sehr gut". Dem Vernehmen nach ist man auch im Kanzleramt über die Spendierhosen einzelner Ressorts besorgt. Mancher verhalte sich so, als sei man immer noch im Jahr 2006, als die Steuereinnahmen sprudelten. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, teilt diese Sorge. Nur die Schwesterpartei CSU sieht das pikanterweise ganz anders. Ihr Chef, Erwin Huber, warf Steinbrück eine Haushaltspolitik "mit der Brechstange" vor. Die Christsozialen halten es lieber mit Geschenken - schließlich wird in Bayern Ende September ein neuer Landtag gewählt. Meinung Verlockendes Füllhorn Es ist zweifelhaft, ob Peer Steinbrück bei der Wahl seiner Waffen gut beraten ist, um die Kabinettskollegen auf den Pfad der finanzpolitischen Tugend zurückzuführen. Ein Bundeshaushalt ohne die Mitwirkung von Glos, Tiefensee & Co wäre zwar möglich, aber der notwendigen Kooperation im Bundeskabinett sehr abträglich. In der Sache hat der Kassenwart allerdings völlig Recht. Die Bundesregierung hat sich gemeinsam zu einem radikalen Abbau der Neuverschuldung entschlossen. Dann soll sie dieses ehrgeizige Ziel gefälligst auch gemeinsam umsetzen. Das Problem ist nur, das Steinbrück selbst nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist. Wer die Verlängerung des Arbeitslosengeldes mit beschließt - und die Erhöhung des Wohngeldes, den Rentenbonus und den verbesserten Kinderzuschlag, der braucht sich nicht zu wundern, wenn es zu neuen Begehrlichkeiten kommt. Dem Treiben kann nur die Kanzlerin wirksam Einhalt gebieten. Doch darauf sollte sich Steinbrück nicht verlassen. Auch in früheren Zeiten ließen Regierungs-Chefs ihre Finanzminister schon mal bei nahenden Wahlen im Regen stehen. Wenn es Steinbrück nicht gelingt, die Neuverschuldung auf Null zu drücken, dann macht er den Hans Eichel. nachrichten.red@volksfreund.de

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