Eskalation im Krieg der Worte

Washington . Während der innen- und außenpolitische Druck auf die iranische Führung gestiegen ist, haben die Machthaber US-Präsident George W. Bush wegen seiner Unterstützung für die Demonstrationen kritisiert.

Die Aussage von US-Präsident Bush im vergangenen Jahr war klar: Die demokratischen Kräfte im Iran "haben keinen besseren Freund als die USA". Heute, angesichts der Unruhen in Teheran und den Übergriffen von islamischen Traditionalisten gegen Anhänger der Reformbewegung, stellt man sich in Washington vor allem die Frage: Was ist Bushs Aussage wert - und mit welchen Konsequenzen muss der herrschende iranische Klerus rechnen? Am Wochenende hatte Bush nochmals im "Krieg der Worte" mit Teheran, das sich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes verbat, nachgelegt und die Demonstrationen ausdrücklich begrüßt. Sie seien der Beginn eines Bekenntnisses der Menschen zu einem freien Iran. Parallel zur Verbalaufmunterung aus dem Weißen Haus kam auch einer der geistigen Väter des Irak-Krieges zum Einsatz: Richard Perle, Vertrauter von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, forderte die Europäer während eines Berlin-Besuchs zu Solidarität mit den Reformkräften in Teheran auf: Die Stimme der Opposition müsse lebendig, die Einhaltung der Menschenrechte gewährt bleiben. Das Handlungs-Prinzip Washingtons scheint sich derweil heraus zu kristallisieren: Teheran über die Möglichkeit einer Militäraktion im Unklaren zu lassen, um so die demokratischen Kräfte im Iran zu stärken und Wohlverhalten in den für die USA wichtigen Bereichen - dem angeblichen Nuklearwaffen-Programm der Mullahs und der vermeintlichen Unterstützung von in den Irak einsickernden Extremisten - zu erreichen. Beobachter in Washington sind sich allerdings weitgehend darin einig, dass es zum derzeitigen Zeitpunkt für die Bush-Regierung schwierig wäre, dem US-Volk und den an der Irak-Invasion beteiligten Verbündeten einen weiteren Waffengang zum Zwecke des Regimewechsels zu "verkaufen". Denn die Debatte um die Existenz von Massen-Vernichtungswaffen im Irak und eine mögliche Vortäuschung von Kriegsgründen hat das Klima für ein erneutes militärisches Engagement stark verändert. "Unsere ernsthaften Probleme mit dem Iran werden nicht zu einem zweiten Irak führen", charakterisierte nun ein Mitarbeiter von Donald Rumsfeld die derzeitige Stimmungslage im Pentagon. Bush hat dies auch, wie in Washington zu erfahren ist, persönlich dem britischen Premierminister Tony Blair mitgeteilt, nachdem dieser in einem Vier-Augen-Gespräch den Texaner vor einem Waffengang gegen Teheran gewarnt hatte. Eine Veränderung der US-Strategie könnte sich jedoch dann ergeben, wenn die Auseinandersetzungen zwischen Reformern und Hardlinern im Iran eskalieren oder Teheran weiter eine vollständige Kooperation mit der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) verweigert. Diese will sich in dieser Woche intensiv mit dem Verhalten Irans beschäftigen, das einem gerade fertiggestellten Bericht des leitenden Nuklearinspekteurs Mohamed ElBaradei zufolge den Besitz bestimmter nuklearer Materialien und meldepflichtige Aktivitäten verschwiegen hat.

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