Europäische Richter entfachen Kreuz-Streit

Der Streit kommt nicht überraschend: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, über das Verbot von Kreuzen in italienischen Klassenzimmern sorgt teilweise für harsche Kritik der katholischen Kirche.

Trier/Straßburg. Wenn in öffentlichen Gebäuden Kreuze entfernt werden sollen, dann ist Streit vorprogrammiert. Daher dürfte die heftige Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg nicht verwundern. Die Richter hatten sich am Dienstag in einem Grundsatzurteil gegen Kruzifixe in Klassenzimmern öffentlicher Schulen gewandt (der TV berichtete). Die Kreuze verletzten das Recht von Eltern, ihre Kinder nach ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen. Die christlichen Symbole widersprächen der Religionsfreiheit.

Eine Italienerin hatte geklagt. Sie wollte, das ihre beiden Kinder ohne religiöse Symbole unterrichtet werden. Die Reaktion der katholischen Kirche ließ nicht lange auf sich warten. "Dieses Europa des dritten Jahrtausends nimmt uns die wertvollsten Symbole weg und lässt uns nur noch die Kürbisse des Halloween-Festes", sagte ein Vatikansprecher. Auch die Deutschen Bischöfe reagierten verärgert.

Die Bischofskonferenz sprach von einer "großen Enttäuschung". Das Kreuz sei "nicht nur religiöses Symbol, sondern auch kulturelles Zeichen", erklärten die Bischöfe. Es sei, anders als die Straßburger Richter entschieden hätten, kein "Zeichen der Trennung, des Ausschlusses oder der Freiheitsbeschränkung", sondern genau das Gegenteil, "ein Zeichen der Erlösung, der Überwindung des Todes und weltumspannenden Liebe Christi", sagte der Kommunikationsdirektor des Trierer Bistums, Monsignore Stephan Wahl, auf TV-Anfrage. "Das religiöse Grundeinmaleins scheint selbst in hochkompetenten Richterkreisen nicht mehr selbstverständlich zu sein", ärgerte sich der Geistliche. Wahl geht nicht davon aus, dass die Straßburger Entscheidung Auswirkungen auf Deutschland haben wird: "Es geht um einen Einzelfall in Italien."

Bislang noch keine Beschwerden im Land



Bei der evangelischen Kirche sieht man das Urteil differenzierter. Das Kreuz sei nicht das Symbol einer einzigen Kirche, sondern aller christlichen Kirchen, sagte der Trierer Superintendent Christoph Pistorius. "Das Kreuz steht nicht für einen als problematisch empfundenen Einfluss der Kirche auf den Staat, sondern für den Hinweis auf die Begrenzung staatlicher Macht", sagte Pistorius. Allerdings müsse man respektieren, wenn staatliche Stellen "aus Gründen der weltanschaulichen Neutralität" keine Kreuze aufhängen wollen. Bislang habe es noch keine Beschwerden gegen Kruzifixe in staatlichen Schulen in Rheinland-Pfalz gegeben, sagte Wolf-Jürgen Karle, Sprecher des Mainzer Bildungsministeriums. Anders als in Bayern gebe es in Rheinland-Pfalz keine Verpflichtung, Kruzifixe in öffentlichen Schulen aufzuhängen. Daher habe das Urteil keine Auswirkungen auf die Schulen im Land, sagte Karle.

1995 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Kreuze in Klassenzimmern verfassungswidrig seien. Dabei bezog es sich auf Bayern, wo in jedem Klassenraum Kreuze hängen. Doch geändert hat sich seitdem kaum etwas in dem katholischen Bundesland. In bayrischen Klassenzimmern hängen noch immer Kreuze an den Wänden. Wenn sich Schüler, Lehrer oder Eltern dadurch gestört werden, müssen die Kruzifixe entfernt werden.

Vor drei Jahren gab es auch in Trier einen Kreuz-Streit. Seit einem Umbau sind in den neuen Sälen des Trierer Landgerichts die Kruzifixe verschwunden. Das offenbar eigenmächtige Vorgehen des Landgerichtspräsidenten schlug bundesweit Wellen. Der damalige Trierer Bischof, Reinhard Marx, sprach von einem "historischen Einschnitt".

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