Europa feiert sich selbst

BERLIN. Sechs Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg – unterzeichneten am 25. März 1957 auf dem Kapitol die "Römischen Verträge" zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). In Berlin wird an diesem Wochenende der 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Verträge als Geburtsstunde der Europäischen Union gefeiert.

Uwe Corsepius muss sich fast wie Karl Marx fühlen, der einst das Kommunistische Manifest schrieb. Denn der 47-jährige Abteilungsleiter Europapolitik im Kanzleramt hat mit seinen Mitarbeitern die "Berliner Erklärung" zum 50-jährigen Bestehen der EU entworfen, die am Sonntag feierlich von den Staatschefs in Berlin verabschiedet werden soll. Gemessen an den Erwartungen muss es sich um einen wahrhaft historischen Text handeln. Kurz und verständlich werde er sein und trotzdem Geschichte, Leistungen und Zukunftsaufgaben der EU darstellen, kündigte Kanzlerin Angela Merkel an. Sie hat selbst mitformuliert. Außerdem solle das Papier die Menschen wieder für Europa gewinnen, wie Außenminister Steinmeier sagte. EU-Kommissionspräsident José M. Barroso erwartet eine "Inspiration" für die Mitgliedsstaaten. Ob all das auf drei Seiten gelingt, ist jedoch fraglich, zumal der Entwurf, der den Ländern vor einigen Tagen zugeleitet wurde, nun in 27 Regierungszentren durchgewalkt, ergänzt und verändert wird. Heute kommen die Rückläufe im Kanzleramt an; die letzten Federstriche werden wohl erst am Wochenende gemacht, wenn die Regierungschefs in der deutschen Hauptstadt eingetroffen sind und Samstagabend zusammen ein Konzert in der Philharmonie besucht haben. Polen stimmte dem Papier Ende letzter Woche beim Besuch Angela Merkels in Warschau nur widerwillig zu, Tschechien meldete sich gestern mit Enttäuschung darüber, dass es keine breitere Diskussion gegeben habe, und Großbritannien feilscht noch darum, wie stark der Sozialstaat in dem Papier betont werden soll. Es ist kompliziert, wie immer in Europa. Dabei ist die strittige Frage der europäischen Verfassung in der Erklärung sogar ausgeklammert. Darüber wird erst auf dem letzten EU-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft im Juni in Brüssel geredet werden. Es geht beim Festakt am Sonntag im Schlütersaal des Deutschen Historischen Museums Unter den Linden um anderes. Noch einmal soll an die beispiellose Erfolgsgeschichte Europas erinnert werden, die am 25. März 1957 in Rom mit der Unterzeichnung der Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und von Euratom damals durch Frankreich, Italien, Deutschland und die drei Benelux-Staaten begann. Inzwischen sind es 27 EU-Mitglieder, man hat einen gemeinsamen Markt, weithin offene Grenzen, eine europäische Währung, ein Parlament und eine große Verwaltung in Brüssel. Das wichtigste an der Veranstaltung ist der Ort. Vor dem Brandenburger Tor soll es das Familienfoto der 27 Regierungschefs geben. Berlin als ehemals geteilte Stadt habe hohe symbolische Bedeutung für das ehemals geteilte und in Kriegen zermürbte Europa, das nun zusammenwachse, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Sonniges Frühlingswetter ist vorhergesagt, sodass der Termin zumindest für Angela Merkel zum strahlenden Gipfelereignis werden könnte. Die Bürger werden mit Profanerem für die europäische Idee motiviert. Zwei Tage lang beherrscht ein "Europafest" das Berliner Zentrum, es gibt eine Info-Meile, eine "Europa-Nacht der Schönheit" in den Staatlichen Museen, eine "Europäische Clubnacht" in den Diskotheken und als Höhepunkt ein Open-Air-Konzert mit Stars aus vielen Ländern. Joe Cocker wird sein legendäres "With a little help from my friends" singen, und es wird sicher eine europäisch-harmonische Stimmung entstehen, wie sie bei europäischen Gipfeltreffen sonst selten aufkommt.

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