Fata Morgana oder reale Bedrohung?

BERLIN. Der für Anfang Oktober geplante Islamistenkongress in Berlin sorgt weiter für Aufregung.Dabei wird ein Verbot der Veranstaltung immer wahrscheinlicher.

Bislang hatte sich der Berliner Innensenator Ehrhart Körting mit einem Verbot schwer getan. Inzwischen kommen aber auch dem SPD-Politiker Zweifel, "ob sich der Kongress noch im Rahmen unserer Rechtsordnung bewegt". Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bekräftigte gestern noch einmal seine Haltung, das Treffen zu unterbinden. Schon am Mittwoch hatte der Minister erklärt, er wolle "alles daran setzen, dass dieser Kongress nicht stattfindet". Die letzte Entscheidung trifft allerdings das Land Berlin. Körting will dazu am kommenden Montag Stellung nehmen.Hinweis aus dem Internet

Auslöser des Wirbels ist ein Veranstaltungshinweis im Internet. Bei dem "Ersten Arabisch-Islamistischen Kongress in Europa" vom 1. bis 3. Oktober soll es unter anderem um eine Unterstützung für die "Befreiung aller besetzten Gebiete und Länder im Kampf gegen amerikanisch-zionistische Vorherrschaft" gehen. Die Veranstalter bestreiten, dass es sich bei den angeblich bis zu 800 Teilnehmern um eine Ansammlung radikaler Islamisten handelt. Organisationen wie der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Zentralrat der Muslime distanzierten sich allerdings bereits von dem Kongress. "Im Moment ist die Faktenlage noch sehr diffus", meinte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, gegenüber unserer Zeitung. Die Informationen aus dem Internet seien ein "Ermittlungsansatz". Für eine "präzise Aufklärung" des Sachverhalts reichten sie noch nicht aus. Im Grundsatz verteidigte Wiefelspütz jedoch den Kurs von Innenminister Schily. Deutschland dürfe keine Veranstaltung zulassen, "auf der Hass und Gewalt gepredigt wird". Ein Sprecher des Außenministeriums kündigte dazu gestern handfeste Maßnahmen an: Deutsche Konsulate und Botschaften seien angewiesen, auf die Erteilung von Visa zu verzichten, wenn ein Antragsteller als Reisegrund den Berliner Kongress angebe. Fundamentalisten und Hassprediger hätten in Deutschland nichts zu suchen, betonte der Sprecher. Von der Opposition wurde diese Maßnahme ausdrücklich begrüßt. "Zwischen der Darstellung im Internet und den Beteuerungen der Veranstalter gibt es einen deutlichen Widerspruch", sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach. Zugleich kritisierte er, dass die deutschen Auslandsvertretungen seit 1999 die Order hätten, "im Zweifel für die Reisefreiheit" zu entscheiden. "Vorher galt der Grundsatz: im Zweifel für die Sicherheit." Darauf müsse sich die Bundesregierung wieder besinnen, forderte Bosbach. Die Berliner CDU sieht in der Hauptstadt schon jetzt einen Hort islamischer Bedrohung. Dabei verweisen die Christdemokraten auf einen Ägypter, der auf Kosten des Sozialamts mit seiner Familie von Baden-Württemberg an die Spree ziehen konnte. Gegen ihn ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Verdachts auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Hinzu kommt ein Prozess beim Berliner Kammergericht gegeneinen Tunesier, der in der Hauptstadt Islamisten für den "Heiligen Krieg" rekrutiert haben soll. Der Berliner Verfassungsschutz kann allerdings keine Zunahme extremistischer Aktivitäten erkennen. Seit Jahren lebten in der Stadt etwa 4000 Islamisten, denen die Einheit von Staat und Religion heilig ist. Das seien gerade zwei Prozent der rund 200 000 in Berlin lebenden Muslisme. Überdies gelte nur ein ganz geringer Teil der Islamisten als gewaltbereit. Vielleicht wird ja auch der angekündigte Islamisten-Kongress am Ende nicht so heiß gegessen, wie die Erregung darüber kocht. Laut Otto Schily steht eine formale Anmeldung des Treffens immer noch aus. "Wir können keine Fata Morgana verbieten", mahnte sein Parteikollege Wiefelspütz.

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