"Fatale Ungerechtigkeiten"
TRIER. "Wer faul war, wird belohnt; wer engagiert war, wird bestraft." Das ist die Kernaussage eines Briefes, den 50 Zivildienstleistende auf Initiative des Trierers Julius Mick Ende vergangener Woche unter anderem an den Bundesbeauftragten für Zivildienst geschickt haben. Sie prangern darin Missstände im Zivildienst an.
"Wenn ich mich einen Monat später um eine Zivi-Stelle bemüht hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr erfolgreich gewesen", sagt Julius Mick. "Dann würde ich jetzt an der Uni sitzen." Der 19-jährige Trierer, der schon im vergangenen August mit der Suche nach einer Zivi-Stelle begann, kennt acht junge Männer, die entweder keinen Platz gefunden haben oder deren Zusage nach den Sparbeschlüssen der Bundesregierung im Frühjahr zurückgezogen wurde. Daraufhin begannen sie Ausbildungen oder schrieben sich an Universitäten ein."Auf Nachfrage beim Bundesamt für den Zivildienst erhielten wir die Auskunft, dass diese Gruppe von Zivildienst-Bewerbern auch nicht mehr damit rechnen muss, eingezogen zu werden", heißt es in einem dieser Tage verschickten Brief an den Bundesbeauftragten für Zivildienst, Dieter Hackler, und den rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten Ulrich Galle, der aus der Feder von Julius Mick stammt und den fast 50 andere Zivildienstleistende unterzeichnet haben.Rüdiger Löhle, Pressesprecher des Bundesamts für den Zivildienst (BAZ), verteidigt die Verfahrensweise seiner Behörde: "Die, die jetzt im Studium oder in der Berufsausbildung sind, konnten ja nichts dafür, dass sie keine Zivildienststelle gefunden haben." Das BAZ habe ihnen damals geraten, mit der weiteren Ausbildung zu beginnen und werde sich deshalb nun bemühen, die Betroffenen nicht mehr zum Zivildienst heranzuziehen. Löhle appelliert an die Unterzeichner des Briefs, nicht nur die negativen Seiten des Dienstes zu sehen: Fast alle Zivis blickten später "mit einer gewissen Befriedigung auf diese Zeit zurück.""Es ist gut, dass sie sich beschweren"
Er sei mit seinem Job in der Individuellen Schwerstbehinderten-Betreuung beim Club Aktiv sehr zufrieden, sagt Julius Mick. Doch durch die Zivildienstzeit verschiebe sich die Ausbildung nach hinten. "Und das kann sich auf die Chancen beim Einstieg ins Berufsleben auswirken."Für Mick, der anschließend entweder BWL oder Geschichte und Biologie auf Lehramt studieren möchte, und die übrigen Unterzeichner ist es eine "fatale Ungerechtigkeit", dass Zufall und Willkür entscheiden, wer Zivildienst ableistet und wer nicht. "Es kann doch nicht sein, dass ein Teil der Wehrdienstvereigerer nicht zum Zivildienst muss, ohne dass es dafür Auswahlkriterien gibt!", schimpft Mick. Dieses Problem sieht auch Löhle: "Hier ist die Politik gefordert." Es gehe ihm nicht darum, die Verweigerer, die jetzt an der Uni oder im Beruf seien, dort herauszureißen, betont Mick. "Ich freue mich ja für die. Aber wir können doch solche Ungerechtigkeiten nicht einfach durchgehen lassen!"Die Zivis unterbreiten Hackler und Galle einen Vorschlag, wie das Problem ihrer Meinung nach gelöst werden könnte: Alle Wehrdienstverweigerer sollten künftig einberufen und die Zivildienstzeit entsprechend verkürzt werden. "Für die jetzt Benachteiligten wäre es in unseren Augen eine sinnvolle Lösung, wenn Sie ihnen die Möglichkeit der Zivildienstzeit-Verkürzung einräumen würden, so dass es möglich wäre, zum Wintersemester 2003 mit dem Studium oder einer anderen Ausbildung zu beginnen", heißt es in dem Brief.Hans Wax von der Bistumsstelle für Zivildienstleistende hält diese Forderungen für nachvollziehbar, räumt ihnen aber kaum Chancen ein: "Die Gesetzeslage gibt das nicht her." Zudem sei eine weitere Verkürzung der Dienstzeit kaum praktikabel: "Ich kann mir vorstellen, dass es sich dann bei der direkten Arbeit mit Menschen nicht mehr lohnen würde, Zivildienstleistende zu beschäftigen", sagt Wax. Ziehe man Ausbildungs- und Urlaubszeiten ab, seien die Zivis nur noch kurze Zeit einsetzbar, und häufige Personalwechsel belasteten die Klientel etwa in Kindergärten oder Einrichtungen für behinderte Menschen.Die Initiative der Briefeschreiber begrüßt Wax indes ausdrücklich: "Das derzeitige Prozedere ist wirklich ungerecht, und es ist gut, dass sich die jungen Männer engagieren und sich beschweren."