"Fettnäpfchen lauern überall"

TRIER. Gutes Benehmen ist wieder gefragt, sagt die Benimm-Trainerin und TV -Stil-Expertin Salka Schwarz. Wie man gute Manieren lernt und wie man sie anwendet, das verrät sie im TV -Interview.

Wie steht es um die Sitten und den Benimm in Deutschland? Schwarz: Seit einiger Zeit ist Benehmen wieder populär. Das Bedürfnis nach guten Manieren und Etikette wächst. Die 68-er-Revolutionäre machten ja zu Recht Schluss mit dem starren Korsett früherer Benimmregeln. Leider führte das zu Spätfolgen bei deren Kindern, die heute um die 30 sind und am Beginn ihrer beruflichen Karriere stehen. Der Zeitgeist ihrer Eltern und die Erziehung beschert ihnen heute einen Tritt ins Fettnäpfchen nach dem anderen. Sie bewegen sich ziemlich ratlos auf dem gesellschaftlichen Parkett. Viele haben auch das Gefühl für den Umgang mit Hierarchien verloren - das betrifft die Regeln für Begrüßung, Bekanntmachen und Duzen. Wer legt fest, was gutes Benehmen ist, und wo lernt man das? Schwarz: Gutes Benehmen ist unerlässlich im menschlichen Miteinander. Man lernt es am besten in der Kindheit von den Eltern. Später wird es schwierig. Da gibt es keinen mehr, der einem sagt, was man falsch macht, außer vielleicht, man besucht ein Benimm-Seminar. Dort lernt man moderne Umgangsformen und aktuelle Etikette-Regeln. Offensichtlich funktioniert das Benimm-Vorbild "Eltern" immer weniger. Immerhin haben ja bereits zwei Bundesländer - Bremen und Saarland - Benimm-Unterricht eingeführt. Schwarz: Die Diskussion zeigt, dass man erkannt hat, wie wichtig gute Umgangsformen sind. Die Schulen sollten vor allem die sozialen Kompetenzen fördern. Das kann aber nur zusammen mit den Eltern geschehen. Bei ihnen muss die Hauptverantwortung bleiben. Kinder und Jugendliche brauchen dazu Vorbilder, die ihnen respektvollen Umgang auch vorleben. Benimm-Unterricht sollte ein freiwilliges Angebot der Schulen sein. Wie können Eltern ihre Kinder gutes Benehmen lehren? Schwarz: Kinder sollen gutes Benehmen als angenehm empfinden, nicht als Zwang. Wenigstens eine Mahlzeit am Tag sollten Eltern gemeinsam mit ihren Kinder einnehmen. Am Familientisch kann man ideal Tisch- und Esskultur genauso wie kommunikative Fähigkeiten vermitteln. Dabei lernen Kinder, zu teilen, Rücksicht zu nehmen und jeden zu Wort kommen zu lassen. Sie sprachen eben von einer Renaissance der guten Sitten. Wer legt heute noch Wert auf gutes Benehmen und Etikette? Schwarz: Ich hoffe, darauf legt jeder Wert. Mit gutem Benehmen ist ja nicht mehr der alte Filz der 50er Jahre gemeint. Man sollte sich ganz selbstverständlich in jedem Milieu und jeder Gesellschaftsschicht bewegen können, immer den richtigen Ton finden, in Jeans genauso souverän sein wie im Smoking, bei einer Grillparty genauso gerne gesehen sein wie bei einem festlichen Diner. Wichtig ist, dass man gute Umgangsformen hat und trotzdem man selbst bleibt. Knigge sagte: Lerne den Ton der Gesellschaft anzunehmen, in der du dich befindest. Aber muss man sich tatsächlich in allen Gesellschaftsschichten sicher bewegen, auch wenn man sich da eher unwohl fühlt? Schwarz: Man kommt ja gar nicht umhin, sich in verschiedenen Schichten zu bewegen. Daher ist es schon von Vorteil, wenn man sich immer souverän und sicher bewegen kann. Aber wer legt fest, was gegen gutes Benehmen verstößt? Ist es wirklich schon ein Fauxpas, wenn ich in einem Restaurant das falsche Glas oder das falsche Messer benutze? Schwarz: Wie schlimm das ist, kommt auf das Restaurant an. Ein Fauxpas ist es dennoch. Außerdem schmeckt der Wein aus dem Wasserglas nicht, und wenn man das falsche Besteck benutzt, bringt man womöglich den Service und den ganzen Ablauf durcheinander. Man verursacht dadurch viel Unruhe, macht Umstände - und das ist eben unhöflich. Wie verhält man sich denn in ungewohnter, piekfeiner Umgebung am besten, wenn man das nicht gewohnt ist? Schwarz: Man sollte auf jeden Fall nie unvorbereitet so gefährliches Parkett betreten. Ein solcher Aufritt ist für Neulinge ja nicht unbedingt ein Vergnügen. Da lauern überall Fettnäpfchen. Aber Fehler begehen wir alle mal. Die trägt man am besten mit Humor und Selbstironie. Das heißt, übertriebene Etikette kann auch störend sein? Schwarz: Alles, was übertrieben und verkrampft ist, ist nicht mehr zeitgemäß. Etikette-Regeln sollten nicht steif eingehalten, sondern ganz natürlich gelebt werden. Man solltenatürlich bleiben, niemand sollte sich verbiegen, das könnte lächerlich oder peinlichwerden. Gelten die Benimmregelneigentlich auch bei der modernen Kommunikation via Email oder Handy? Schwarz: Aber ja. Daran zeigt sich, dass Benimmregeln heute viel schneller überholt sind oder neu definiert werden müssen. Moderne Umgangsformen sind Spielregeln für den Alltag. Daher gibt es auch Regeln für das Verhalten im Internet oder für das Handy. Es wird ganz klar empfohlen, was man per SMS verschicken darf, was man besser persönlich mitteilen und wie man sich im Internet verhalten soll. Das Gespräch führte unser Redakteur Bernd Wientjes.

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