Finale furioso

BERLIN. Das große Finale der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD hat begonnen. Gestern trafen sich die Spitzen von Union und Sozialdemokraten zu getrennten Marathonklausuren in Berlin und Potsdam, um das nach drei Wochen in 16 Arbeitskreisen Erreichte noch einmal durchzukneten.

Der Druck wächst. Bis zum Wochenende muss der Koalitionsvertrag gezimmert sein. Schon am 14. November wollen CDU und CSU auf kleinen Parteitagen über die Ergebnisse befinden. Zur gleichen Zeit werden die Genossen auf dem Parteitag in Karlsruhe über das Vertragswerk abstimmen, das Deutschland unter einer Kanzlerin Angela Merkel wieder zukunftsfähig machen soll. Geplant ist, dass das Vertragswerk am 18. November unterzeichnet und Angela Merkel am 22. November zur Kanzlerin gewählt wird. Zum Verhandlungsspurt veröffentlichte der "Spiegel" eine Umfrage der Meinungsforscher von Infratest. Danach glauben nur 27 Prozent der Deutschen, dass keine Große Koalition zustande kommt. 66 Prozent dagegen sind fest davon überzeugt, Union und SPD werden es schaffen. Und 56 Prozent glauben, dass Angela Merkel eine gute Bundeskanzlerin wird. Doch wo hakt es noch, und was wurde bisher verabredet? FAMILIE: Ab Januar 2008 soll ein Familiengeld eingeführt werden. Der Elternteil, der Kinder betreut, bezieht im ersten Baby-Jahr einen Lohnersatz von maximal 1800 Euro im Monat. Auch Frauen, die gleich nach der Geburt wieder arbeiten, soll ein Eltergeld zustehen, um eine Betreuung fürs Baby zu bezahlen. RENTE: Rentner müssen sich auf weitere Nullrunden einstellen. Damit wegen der angespannten Finanzlage der Rentenbeitrag 2007 nicht steigt, wird der staatliche Zuschuss um 2,8 Milliarden Euro erhöht. Der Rentenbeitrag wird bis 2009 auf 19,5 Prozent eingefroren. Die private Riester-Rente könnte nach 2007 Pflicht werden, sollten weiter zu wenige Bürger freiwillig fürs Alter vorsorgen. Um Familien stärker zu fördern, steigt der jährliche Kinderzuschlag bei der Riester-Rente von 185 auf 300 Euro. Ab 2012 soll das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben werden. GESUNDHEIT: In der Gesundheitspolitik sind die Verhandlungen von Union und SPD zum Teil festgefahren. Die SPD will den Wechsel Gutverdienender in die private Krankenkasse erschweren. Dazu soll die Pflichtversicherungsgrenze angehoben oder abgeschafft werden. Das lehnt die Union ab und plädiert dafür, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren. Auch im Streit um die Pflegeversicherung gibt es keine Annäherung. Die Union lehnt Pläne der SPD ab, die Rücklagen der privaten Pflegeversicherung für die Sanierung der gesetzlichen Pflegekassen anzuzapfen. Einig ist man sich, dass die Arzneimittelpreise für zwei Jahre eingefroren werden sollen und dass Einkaufsvorteile für Apotheker verboten werden.UMWELT: Die Nachrüstung von Autos mit Partikelfiltern soll steuerlich gefördert werden. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung wird ausgebaut und die Windkraft weiter gefördert. Im Streit liegen SPD und Union dagegen in der Frage, ob die Restlaufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden sollen. Die SPD ist absolut dagegen. ARBEITSMARKT: Strittig war auch am Wochenende die Frage der Ausweitung betrieblicher Bündnisse für Arbeit. Am Sonntag verlautete zunächst, die Arbeitsmarkt-Experten hätten sich verständigt, dass ein bis zwei Jahre lange Probezeiten bei Neueinstellungen möglich werden sollen. Später folgte ein Dementi. Offen ist auch, ob Arbeitnehmer eine Abfindung vereinbaren können, falls sie bei betriebsbedingten Kündigungen auf gesetzlichen Schutz verzichten. Hartz-IV-Bezieher, die als Paar zusammenleben, müssen künftig beweisen, dass sie keine eheähnliche Gemeinschaft bilden. Beim Arbeitslosengeld II sollen Eltern wieder stärker für ihre Kinder aufkommen müssen. Unter 25-jährige sollen nur noch Anspruch auf eine vom Staat bezahlte Wohnungsmiete bekommen, wenn das Job-Center zustimmt. WIRTSCHAFT: Es soll ein Programm zur Altbausanierung angeschoben werden. Handwerkerrechnungen von bis zu 3000 Euro im Jahr sollen von der Steuer abgsetzt werden können. Durch Suventions-Abbau sollen weitere Ausgaben für Forschung und Entwicklung von über einer Milliarde Euro finanziert werden. Eine Unternehmenssteuerreform soll ab 2008 den Standort wettbewerbsfähig machen. Hochbrisant sind die Themen Subventionsabbau und Steuererhöhungen. Am Wochenende war zu hören, dass die SPD einer höheren Mehrwertsteuer zustimmen könnte, wenn im Gegenzug eine ,,Reichensteuer" eingeführt wird. Wenig später folgte ein Dementi der Union. Die SPD hatte im Wahlprogramm gefordert, Einkommen über 250 000 Euro mit einem Aufschlag auf den Spitzensteuersatz von drei Prozent zu belegen.

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