Finger weg vom Billigbusen

BERLIN. Wenn selbst ernannte Experten zum Skalpell greifen, um der Schönheit von Busen oder Nase nachzuhelfen, sind hässliche Folgen wie Dauerschmerz und Entstellungen keine Seltenheit. Die Bundesregierung plant deshalb schärfere Gesetze.

"Brustvergrößerung 2000 Euro, Fettabsaugung ab 700 Euro", heißt es in einer Annonce einer tschechischen Schönheitsklinik. Wer es günstiger haben will, muss nicht lange im Internet suchen: Ein polnischer Anbieter wirbt mit Eingriffen, die gleich mehrere hundert Euro billiger sind. Vorher-Nachher-Bilder sollen verboten werden

Deutschlands plastische und ästhetisch-plastische Chirurgen warnen vor solchen Lockangeboten, vor "Billigbusen" und "Schönheits-OPs - preiswert und natürlich", die wie bei einer Butterfahrt angedient werden. Es seien Fälle bekannt, so die Verbände beider Medizinergruppen gestern in Berlin, bei denen "Schaumstoffchips, Leichenfett, Silikonöl und Ähnliches zur Brustvergrößerung verwendet wurden". Aber auch in Deutschland, wissen die Fachleute, gibt es eine erhebliche "Grauzone", in denen selbst ernannte Experten und Scharlatane zum Skalpell greifen. Dem munteren und gefährlichen Treiben rund um den Schönheitswahn will die Bundesregierung nicht länger tatenlos zusehen. Voraussichtlich im Mai wird das Gesundheitsministerium den Entwurf zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes vorlegen, sagte gestern eine Sprecherin von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) unserer Zeitung. Darin enthalten sein wird ein Verbot von Werbung, "die irreführend ist und die Risiken verschleiert" - inklusive Strafandrohung. Die beliebten "Vorher-Nachher- Bilder" wären dann wohl tabu. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 700 000 Eingriffe durchgeführt, davon sind 25 Prozent so genannte ästhetische Operationen, also Lidstraffung, das Aufspritzen der Lippen, Nasenkorrektur oder die berühmte Brustvergrößerung. Allein 20 000 Patienten legen sich im Jahr zum Fettabsaugen in eine Klinik. Das ist aber nur ein Bruchteil der wirklichen Zahlen: "Sehr viel wird außerhalb des Fachgebietes gemacht", weiß Marita Eisenmann-Klein, Vizepräsidentin der Vereinigung plastischer Chirurgen (VDPC). Und das birgt erhebliche Gefahren: Oft fehlt die fachlich richtige Betreuung, bei "nicht qualifizierten Eingriffen" kommt es dann zu Komplikationen mit schlimmen Folgen: Schmerz und dauerhafte Entstellungen zum Beispiel, die sich auch von den wirklichen Experten nicht mehr beheben lassen. Nach wie vor sind es vor allem Frauen, die dem Schönheitsideal per OP auf die Sprünge helfen wollen, der Anteil der Männer beträgt entgegen anders lautender Trendmeldungen nur 12,5 Prozent. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei den Operationen auf dem sechsten Platz nach den USA, Mexiko, Brasilien, Japan und Spanien. "Jeder sagt jedem, wie er aussehen muss"

Schön, jung, erfolgreich. Gerade das Fernsehen sorgt dafür, dass Attraktivität fälschlicherweise als einziger, als absoluter Erfolgsgarant angesehen wird. Und dass eine in Wahrheit kleine Gruppe von Medizinern eine unglaubliche Popularität erlebt, wie ihre Verbände wissen. Seit Schönheitsoperationen in den Boulevard-Magazinen tagtäglich ein Thema sind oder aber Reality-Shows und Live-OPs eine allumfassende Machbarkeit des makellosen Körpers suggerieren, "sind die Nachfragen gestiegen", hat Rolf Olbrisch festgestellt, Präsident der ästhetisch-plastischen Chirurgen. Gerade in Deutschland, ergänzt Marita Eisenmann-Klein, "sagt jeder jedem, wie er aussehen muss". Es sei daher nicht verwunderlich, dass speziell der Nachwuchs zunehmend während seiner Identitätsentwicklung "eine Operation als Einstieg in ein glücklicheres Leben betrachtet". Von denen, die sich unters Messer legen, sind laut Experten aber nur zehn Prozent Kinder und Jugendliche - und meist geht es dann um die Korrektur abstehender Ohren. Noch.

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