Fragen über Fragen

BERLIN. 16 Seiten mit vielen, vielen Fragen: Nur wer sich durch dieses Formular hindurchkämpft, hat künftig noch Chancen, Arbeitslosengeld zu bekommen. In diesen Tagen werden die ersten dieser Fragebögen verschickt.

 Kräftig ausgefragt: Wer künftig noch Arbeitslosengeld bekommen will, muss erstmal arbeiten - und zahlreiche Fragebögen der Bundesagentur für Arbeit ausfüllen.Foto: Klaus Kimmling

Kräftig ausgefragt: Wer künftig noch Arbeitslosengeld bekommen will, muss erstmal arbeiten - und zahlreiche Fragebögen der Bundesagentur für Arbeit ausfüllen.Foto: Klaus Kimmling

Wer ab Januar 2005 das so genannte Arbeitslosengeld II beziehen will, wird sich in aller Ausführlichkeit erklären müssen. Bis Ende September erhalten 2,2 Millionen Langzeitarbeitslose den "Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" von der Bundesagentur für Arbeit auf dem Postweg zugesandt. Dabei gibt es kaum etwas, das die Behörden nicht interessiert. Der eigentliche Antrag umfasst sechs eng bedruckte Seiten. Hinzu kommen vier Zusatzblätter im Umfang von zehn Seiten. Gefragt wird nicht nur nach den persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie denen des Partners. Das Finanzpolster ("alle verwertbaren Vermögensgegenstände") der übrigen im Haushalt lebenden Personen ist ebenfalls von Belang. Dabei kann es sich auch um ein Ölgemälde, Omas Goldschmuck oder den alten Biedermeier-Tisch handeln. Selbst das Auto der Tante oder des Großvaters muss im Formular nach Fabrikat, Baujahr und Schätzwert aufgeführt werden. Zumindest den 900 000 arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern dürfte dieser Papierkrieg schon vertraut sein. Die rund 1,3 Millionen Bezieher von Arbeitslosenhilfe betreten dagegen vielfach bürokratisches Neuland. Zwar mussten sie auch bisher über ihre Vermögenslage Auskunft geben. Schließlich handelt es sich um eine Leistung nach dem Bedürftigkeitsprinzip.Wie viel besitzt die Schwiegermutter?

Neu ist aber, dass alle Angehörigen in einer so genannten Bedarfsgemeinschaft die Hosen herunter lassen müssen. Leben beispielsweise die Schwiegermutter und der Sohn mit unter einem gemeinsamen Dach, entscheidet deren Einkommen über den Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Auch nach den Wohnverhältnissen wird künftig strenger gefragt. Bislang spielte nur das eigene Haus oder die Eigentumswohnung eine Rolle. Nun verlangen die Behörden generell Auskunft über Alter und Größe der Unterkunft. Übersteigt das private Vermögen des Antragstellers 4850 Euro (bei Partnern 9700 Euro), muss ein vier Seiten langes Extraformular ausgefüllt werden. Das gilt auch, wenn die Angehörigen im Haushalt jeweils mehr als 750 Euro auf der hohen Kante haben. In diesen Fällen hat der Arbeitslose akribisch sämtliche Girokonten, Bargeld, Sparbriefe, Lebensversicherungen, Bausparverträge, Immobilien und private Fahrzeuge seiner Mitbewohner aufzulisten. Ob er am Ende das Arbeitlosengeld II erhält, hängt in erster Linie von seinem Alter ab. Pro Lebensjahr sind 200 Euro Vermögen erlaubt. Was darüber hinaus geht, muss zunächst verbraucht werden. Für die Altersvorsorge gelten die gleichen Bedingungen. Ausgenommen sind bestimmte Anlagen wie zum Beispiel die Riester-Verträge. Schon vor Wochen hatte der Chef der Nürnberger Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, auf die komplizierte Ermittlung des Vermögens hingewiesen: "Wir rechnen damit, dass wir in vielen Fällen Stunden brauchen, um die wirtschaftlichen Verhältnisse zu klären", so Weise. Die Sachbearbeiter vor Ort warten dazu bis heute auf konkrete Durchführungsbestimmungen. Unklar sei beispielsweise, wie bei der Wertermittlung von Vermögensgegenständen verfahren werden solle, erklärte eine Sprecherin der Arbeitsagentur Berlin gestern gegenüber unserer Zeitung. Geklärt werden müsse auch, was unter "angemessenem Wohnraum" zu verstehen sei. Der Arbeitsmarktexperte der Union, Karl-Josef Laumann, sieht deshalb schon den pünktlichen Start des Arbeitlosengeldes II in Gefahr. Die Anträge seien schwer verständlich zu lesen. "Das gibt ein Fiasko. Ohne fremde Hilfe werden die allermeisten Betroffenen das Formular nicht ausfüllen können", kritisierte Lauman. Sein Fachkollege von der SPD, Klaus Brandner, warnte dagegen vor Panikmache. "Auf die Frage, was sich bei der Prüfung der Bedürftigkeit verbessern lässt, konnte mir bislang niemand eine Antwort geben", sagte Brandner unserer Zeitung. Das Arbeitsamt hat für Betroffene eine Hotline eingerichtet: 01801/012012. Beim DGB Rheinland-Pfalz gibt es eine Infobroschüre. Sie kann über die 06131/2816-0 bezogen werden.

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