Frankreich vor großer Kraftprobe

Paris. (dpa) Jetzt geht es für Premierminister Dominique de Villepin um alles oder nichts. Nach der Studentenrevolte gegen seine Arbeitsmarktreform mobilisieren die Gewerkschaften alle Kräfte für eine entscheidende Machtprobe an diesem Samstag mit der Regierung.

Gehen wie geplant Millionen auf die Straße, wollen sie den Schwung nutzen und Massenstreiks organisieren, um noch weitere bereits beschlossene Reformen zu kippen. "Das ist nur der Anfang", titelte die Zeitung "France Soir" am Freitag. Für Villepin könnte es das Ende aller Träume von einem Sieg bei der Präsidentenwahl im Mai 2007 sein. Der zweite große gesellschaftliche Konflikt in Villepins kurzer Amtszeit nach den Unruhen in den Einwanderergettos ist wie ein Himmelsgeschenk für die Opposition. Noch vor wenigen Wochen war die in zahlreiche Parteien und Fraktionen zersplitterte Linke grandios mit dem Versuch gescheitert, eine gemeinsame Linie für 2007 zu finden. Das Wahltrauma von 2002, als alle linken Kandidaten auf der Strecke blieben, und den Franzosen nur die Stichwahl zwischen dem Konservativen Jacques Chirac und dem Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen blieb, schien unüberwindbar. Doch davon spricht jetzt keiner mehr. Geschlossen reihen sich Sozialisten und Kommunisten, Trotzkisten und Grüne in die Reihen der Demonstranten ein. Das große Wahlthema heißt plötzlich nicht mehr "Reformen für Wachstum", sondern "soziale Unsicherheit". Villepin erscheint nicht mehr als mutiger Modernisierer der Gesellschaft, sondern als Handlanger der Bosse, der notfalls den Polizeiknüppel schwingt. "Die Rechte riskiert eine Kraftprobe" mit der Gesellschaft, indem sie "ein soziales Problem zu einer Frage der öffentlichen Ordnung macht", erklärte Sozialistenchef François Hollande. Bisher versucht die Regierung vergeblich, die Protestdynamik zu brechen, in der die hochschäumenden Emotionen eine Debatte über die Inhalte der Reformen kaum möglich machen. Am Donnerstag reihten sich erstmals Vorstadtkinder in die Reihen demonstrierender Studenten ein. Und die Gewerkschaften lehnen einen Dialog ab, der den Kern der im Parlament längst beschlossenen Reform nicht ändern kann. Unter dem Druck der Straße zeigen sich daher Risse im Regierungslager. Kaum einer der Abgeordneten tritt öffentlich für Villepins Gesetz ein. Einfach aufgeben kann Villepin seine Reform zwar nicht, wenn er nicht als Verlierer dastehen und seine Präsidentschaftsträume begraben will. Doch er könnte "die Proteste hören" und die Reform reformieren.

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