Für eine Hand voll Euro

WEIDENBACH. Vier bewaffnete und maskierte Männer überfielen am späten Mittwochabend den Pappelhof in Weidenbach. Mit Hilfe der Aussagen des letzten Gastes und einer der beiden Bedienungen rekonstruiert der TV den Ablauf des Überfalls.

Der Fernseher im Saal ist verstummt. Die letzten Gäste, die gerade noch eine Sportsendung verfolgt haben, haben sich zur Nachtruhe in ihre Zimmer zurückgezogen. Nur ein paar Gläser sind übrig, die die Bedienung abräumt. Unten im Keller dreht der Wirt seine letzte Runde, überprüft, ob alles abgeschlossen ist. Vorne in der Kneipe haben die meisten Besucher aus dem Dorf den Weg nach Hause angetreten. Nur eine Bedienung steht hinter der Theke. Davor sitzt ein letzter Gast, der eine letzte Runde ausgibt. Gerade will Alexander Thömmes bezahlen, als sich die Tür öffnet. Es ist 23.40 Uhr. Wer kommt wohl so spät noch, ist sein Gedanke, als er den Kopf in Richtung Tür dreht: Es sind vier maskierte Männern, mit Pistolen bewaffnet. "Überfall, Geld her", ruft einer."Ich hatte Angst ohne Ende"

"Ich habe im ersten Moment gedacht, es ist ein schlechter Scherz", erzählt der Mann, der nun an der Theke sitzt. Genau dort, wo sich in der Nacht zuvor der Überfall auf das Weidenbacher Hotel Pappelhof abgespielt hat. Es ist sein Stammplatz. Jeden zweiten Abend kommt der 25-Jährige nach Feierabend hier vorbei, um noch ein bisschen zu plaudern und ein Bier zu trinken. Dass er heute in der Mittagszeit da ist, liegt daran, dass er gerade aus dem Krankenhaus gekommen ist. Eine rote Schwellung, so dick wie ein Golfball, drückt sein rechtes Auge zu einem Schlitz zusammen. Die Schwellung am linken Auge schimmert grün-blau. "Als einer der Täter auf mich zukam, dachte ich nur: Ruhig bleiben, machen, was sie sagen und kein Blickkontakt." Doch nur wenige Sekunden später kommt der "Lange" zielstrebig auf Alexander Thömmes zu und schlägt ihm ohne Anlass ins Gesicht. Ob mit der Faust oder der Pistole, daran kann er sich nicht mehr erinnern. "Entweder die haben nicht damit gerechnet, dass noch jemand da ist, oder sie wollten damit klarstellen, wer der Chef ist", mutmaßt Thömmes. Die Bedienung hinter der Theke sei gleich in die Küche geflüchtet. Der "Lange" habe nicht gezögert, sei über die Theke gesprungen und hinter ihr hergelaufen. Währenddessen bedroht ein zweiter Täter Alexander Thömmes mit einer Pistole, die er ihm an den Kopf hält und zwingt ihn, sein Bargeld herauszugeben. 120 Euro trägt er bei sich - und übergibt sie. Im Saal lässt die zweite Bedienung gerade die Rollläden herunter, als einer der Täter hinzukommt, und sie mit vorgehaltener Waffe zwingt, mit ihm in die Kneipe zu kommen und die Kasse zu öffnen. "Ich hatte Angst ohne Ende", erinnert sie sich. "Man weiß ja nie, wie weit solche Menschen gehen." Der "Lange" hat die flüchtige Bedienung inzwischen eingefangen - und greift hektisch die Scheine aus der Kasse. "Das kann doch nicht alles sein", ruft er aufgebracht. 430 Euro, mehr ist nicht drin. "Er war richtig sauer", erinnert sich Thömmes. "Und hat vor Wut Sprudelkästen in die Ecke gegen die Wand geworfen." Dann seien die Täter zum Ausgang gelaufen und auf der Höhe des Zigarettenautomaten, kurz vor der Tür, habe einer gesagt "das Telefon", so als hätten sie es im Eifer des Gefechts vergessen. "Einer kam zurück hinter die Theke und riss die Kabel der Anlage aus der Wand, und packte das Handy, das daneben lag, ein. Dann verschwanden sie", sagt Thömmes. Im Keller hat Wirt Roger Verhavert absolut nichts vom Überfall auf seinen Gasthof mitbekommen. "Als ich hoch kam, habe ich dann das Chaos gesehen. Scherben am Boden und das kaputte Telefon." Zum Glück gibt es noch ein separates Telefon im Pappelhof. Von dort aus alarmiert er die Polizei. Nur zehn Minuten später sind die ersten Streifenpolizisten da, Kripo und Spurensicherung folgen. Bis drei Uhr dauert die Untersuchung. Jetzt, neun Stunden später, kommen die Gäste zum Mittagessen. Vom Schrecken der Nacht ist fast nichts mehr zu sehen. Nur ein Mitarbeiter von Telenovis, der die Telefonanlage repariert. Und ein Mann mit zwei blauen Augen auf seinem Stammplatz.

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