Ganz viel Große Koalition

Nicht zum Schutz der Banken, zum Schutz der Bürger habe die Bunderegierungs das 500 Milliarden Euro schwer Rettungspaket geschnürt. Das erklärt´e Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der gestrigen Regierungserklärung

Berlin. Die Chefin hält ihre Truppe zusammen, auch im Parlament. Irgendwann nach ihrer Regierungserklärung geht Angela Merkel auf Wanderschaft. Sie setzt sich zu ihrem wirtschaftspolitischen Berater, Jens Weidmann, dann zu ihrem Regierungssprecher Ulrich Wilhelm; sie bespricht sich mit Finanzminister Peer Steinbrück gleich mehrfach, und mit Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere.

Für Frank-Walter Steinmeier malt sie schließlich mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf ihr Pult, als ob sie dem Außenpolitiker das Drama an den Finanzmärkten noch einmal erläutern würde. Steinmeier nickt, Merkel nickt, so viel Große Koalition war lange nicht im Bundestag. Die Debatte um das Rettungspaket für die Banken kennt nur zwei Verlierer - und beide kommen von der CSU.

Der eine heißt Michael Glos und ist Wirtschaftsminister. Er kommt zu spät ins Plenum, was fast schon bezeichnend für das Bild ist, das er in diesen Zeiten bietet: Wenn alle schon alles gesagt oder womöglich entschieden haben, betritt Glos die Bühne. Dabei sagt die Kanzlerin, dass die Weltwirtschaft "vor ihrer schwersten Bewährungsprobe seit der großen Krise in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts" stehe. Doch der Minister, spottet der grüne Fraktionschef Fritz Kuhn, komme "wie eine Schlaftablette auf zwei Beinen" daher. Das sitzt.

Kurz nach der Debatte verzichtet Tietmeyer



Der andere Verlierer ist CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Merkel begrüßt ihn eiskalt; als Ramsauer später spricht, ignoriert sie ihn. Die Blockade der CSU bei der Erbschaftssteuer ist der Kanzlerin inzwischen zuwider.

"Wir greifen hart durch", sagt Merkel während ihrer Regierungserklärung. Sie spricht von der "Pflicht" zu handeln, der Staat sei die einzige Instanz, um das Vertrauen zwischen den Banken wiederherzustellen - "zum Schutz der Bürger".

Finanzminister Steinbrück betont, dass es nicht um Gratifikationen für den Bankensektor gehe, "oder dass Bankmanager vor dem Ruin bewahrt werden sollen". Vielmehr müsse es wieder stabile, funktionsfähige Finanzmärkte geben, die allen Menschen in Deutschland zugute kämen.

Neues haben Merkel und Steinbrück nicht zu verkünden. Aber sie machen klar, wie sehr sie sich als Krisenmanager verstehen - und dass sie bisher mit sich im Reinen sind.

Die Opposition hat zwar Verständnis für das Eil-Gesetzgebungsverfahren, doch sie kritisiert massiv die Inhalte. "Patriotische Verantwortung" nennt FDP-Fraktionschef Guido Westerwelle die Zustimmung der Liberalen zum Milliarden-Rettungsplan. Es könne aber nicht sein, dass die parlamentarische Kontrolle "desto geringer ist, je größer die Summe ist". Das Volk verstehe nicht, dass 500 Milliarden Euro bereit stünden, während vorher gesagt worden sei: "Für Arbeitnehmer und Rentner ist kein Geld da", kritisiert Linksfraktionschef Oskar Lafontaine.

Alle Oppositionsredner nehmen Merkels Ankündigung auf, Ex-Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer zum Chef einer Experten-Kommission zur Neuregelung der Finanzmärkte machen zu wollen. Ausgerechnet Tietmeyer - er ist Mitglied im Aufsichtsrat des so eben noch geretteten Immobilienfinanziers Hypo Real Estate. Merkel wirkt ziemlich irritiert angesichts der heftigen Attacken - auch der Koalitionspartner SPD lehnt den Banker ab.

Kaum ist die Debatte beendet, gibt Tietmeyer seinen Verzicht bekannt. Womöglich war die Idee Merkels erster großer Fehler bei der Bewältigung der Krise.

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