Gegen eine Mauer des Schweigens

Saarbrücken . Schuldig oder nicht schuldig? Das ist die entscheidende Frage, die das Saarbrücker Schwurgericht in den kommenden Wochen und Monaten im Fall Pascal beantworten muss. Einfach wird das in dem Indizienprozess zum Schicksal des seit 30. September 2001 spurlos verschwundenen, damals fünf Jahre alten Jungen aus Saarbrücken-Burbach sicherlich nicht.

Die Richter und Schöffen werden - so viel wurde bereits gestern am ersten Prozesstag deutlich - ganz genau hinsehen, prüfen und abwägen. Das wird dauern. Dreh- und Angelpunkt dabei sind sieben Anklageschriften, in denen 13 Männer und Frauen teils Ungeheuerliches vorgeworfen wird. Die Hauptanklage befasst sich mit dem Schicksal des kleinen Pascal und den angeblichen Geschehnissen in der Burbacher "Tosa-Klause". Die Angeklagten hätten dort unter der Ägide der Wirtin Christa W. eine "Tosa-Gemeinschaft" gebildet, heißt es. Sie hätten einen "Wachdienst" eingerichtet, der im Hinterzimmer der Spelunke regelmäßig den sexuellen Missbrauch von Kindern, verkauft für 20 Mark, ermöglicht hätte. So auch an besagtem 30. September. Damals sei Pascal von mehreren Männern besonders brutal missbraucht worden. Dabei - oder im nachhinein, um ihn zum Schweigen zu bringen - sei er dann umgebracht worden, so die Anklage weiter. Sie erhebt deshalb gegen Christa W. und fünf Angeklagte den Vorwurf des Mordes, des sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigung mit Todesfolge. Drei weiteren der "Tosa-Gemeinschaft" wird Beihilfe dazu vorgeworfen. In den anderen Anklagen gegen sieben Leute aus der "Tosa-Clique" geht es zudem um den Vorwurf rund 20 weiterer Sexualdelikte an Pascal und an einem von dessen Spielkameraden. Dieser Junge und dessen mitangeklagte Mutter lebten zeitweise im Riegelsberger Haus der "Tosa-Wirtin" Christa W.. Sie war Vormund des Jungen und soll ihn - so die Anklage wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen - nicht richtig versorgt und menschenunwürdig behandelt haben. Das Kind habe kaum bekleidet in der kalten Wohnung schlafen müssen, es habe altes Brot oder schimmelige Teilchen essen müssen und mehr. Außerdem, so die siebte Anklage, habe Christa W. in den Windeln des Jungen Drogen in die Saarbrücker Justizvollzugsanstalt zu ihrem dort einsitzenden Sohn geschmuggelt. All dies ergibt für die Staatsanwaltschaft ein rundes Bild, Christa W. ist danach die Drahtzieherin von Kindesmissbrauch, eine Mörderin, eine Frau, die ein ihr anvertrautes Kind misshandelt und zum Drogenschmuggel benutzt hat. Ob es dabei bleibt, ist ungewiss. Klar scheint nur, dass die Sache mit dem Drogenschmuggel als sicher gilt. Hier hat Christa W. vorab ein Geständnis abgelegt, und dazu will sie auch jetzt vor Gericht aussagen. Alles andere streitet sie ab. Und ein ganz klein wenig geringer sind die Anklagevorwürfe mit Blick auf den Mordvorwurf ihr und anderen gegenüber bereits geworden. So hat das Gericht die Anklage nicht komplett zum Gegenstand des Prozesses gemacht. Es hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seiner Ansicht nach Pascal nicht nach dem Missbrauch zur Verdeckung dieser Tat ermordet wurde. Sondern möglicherweise während des Sexualdelikts zur Befriedigung des Geschlechtstriebes. Folge für die Wirtin: Sie gilt nicht mehr als Täterin eines Verdeckungsmordes. Sondern als mögliche Anstifterin oder Helferin beim eventuellen Sexualmord der anderen.

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