Geheimhaltung ist das oberste Gebot

Sobald der scheidende Trierer Bischof Reinhard Marx (54) Anfang Februar in seinem neuen Erzbistum München und Freising den Dienst angetreten hat, schlägt in Deutschlands ältester Diözese die Stunde des Domkapitels. Dessen Mitglieder, allesamt verdiente Geistliche, wählen einen neuen Bischof. Bis es so weit ist, müssen die 14 Domkapitulare vor allem eines sein: verschwiegen wie ein Grab.

 Dompropst Werner Rössel im Kapitelsaal, wo der Marx-Nachfolger gewählt wird.TV-Foto: Rolf Seydewitz

Dompropst Werner Rössel im Kapitelsaal, wo der Marx-Nachfolger gewählt wird.TV-Foto: Rolf Seydewitz

Trier. "Heilige Maria, ohne Erbsünde empfangen, Patronin des Bistums Trier, bitte für uns. Heiliger Apostel Petrus, Patron unseres Domes und der Bischofsstadt…" Es ist die Litanei von den Heiligen des Bistums Trier, die die Domkapitulare anstimmen, wenn sie sich spätestens eine Woche nach dem Weggang ihres alten Bischofs zum ersten Mal treffen, um sich auf ihre wohl wichtigste Aufgabe vorzubereiten: die Suche und Wahl eines neuen Bischofs. Dabei hat zwar der Vatikan ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Doch die letztlich entscheidende Qual der Wahl haben die 14 Trierer Domkapitulare, bevor der Papst den Marx-Nachfolger ernennt. Ein für katholische Verhältnisse ziemlich basisdemokratisches Verfahren. Doch bis es so weit ist, kann schon mal ein Jahr vergehen. Ein Jahr, in dem sich das traditionell einmal monatlich tagende Domkapitel häufiger treffen wird als gewöhnlich. An einem Ort, der den meisten Katholiken ebenso wenig bekannt sein dürfte, wie die Namen der 14 Domkapitulare: dem sogenannten Kapitelsaal. Der schmucke neugotische Raum aus dem 19. Jahrhundert, der nur über eine enge Stein-Treppe zu erreichen ist, befindet sich über der Sakristei des Trie rer Doms. Zehn der 14 Domkapitulare, das sogenannte Konsultorenkollegium, werden sich dort in der zweiten Februar-Woche das erste Mal treffen, um einen Diözesan-Administrator zu wählen. Der Diözesan-Administrator leitet das Bistum, bis ein neuer Bischof ernannt ist. Seit feststeht, dass Reinhard Marx neuer Erzbischof von München und Freising wird, ist mit Robert Brahm der dienstälteste Weihbischof Administrator. Gut möglich, dass der 51-jährige Brahm in der ersten Sitzung in diesem Amt bestätigt wird, vorstellbar aber auch, dass ein anderes Mitglied des Domkapitels oder sogar ein "externer" mindestens 35 Jahre alter Priester gewählt wird. Diözesan-Administrator ist, wer bei der (geheimen) Wahl die absolute Mehrheit der Stimmen bekommt. Wenn nötig, gibt es mehrere Wahlgänge. Ist der Diözesan-Administrator gewählt, ernennt dieser einen Ständigen Vertreter. In der Regel ist dies der Generalvikar (Georg Holkenbrink), also der Verwaltungschef des Bischofs, der mit Bekanntgabe der Marx-Versetzung ebenfalls automatisch aus dem Amt geschieden ist.Danach schlägt die Stunde des Dompropstes Werner Rössel. Der 61-jährige Prälat und vormalige Generalvikar leitet das Domkapitel. Er lädt nun innerhalb von 14 Tagen das komplette Domkapitel ein, um die Modalitäten für die bevorstehende Aufstellung der Kandidatenliste festzulegen. Auf der Kandidatenliste, die frühestens in der darauf folgenden Sitzung erstellt wird, stehen dann die Namen möglicher Marx-Nachfolger. Ob ein Name draufsteht oder mehrere, ist den Domkapitularen überlassen. "Natürlich wird zuvor, übrigens auch mit anderen, über bestimmte Personen gesprochen", sagt Rössel, "aber die Liste wird in geheimer Wahl erstellt."Und weil die Geheimhaltung das oberste Gebot ist, verrät der Dompropst nicht einmal die Zahl der Namen, die im Vorfeld der letzten Trierer Bischofswahl von den Domkapitularen auf die Liste geschrieben wurde - geschweige denn die Namen selbst. "In anderen Bistümern mag darüber zumindest hinter vorgehaltener Hand gesprochen werden, bei uns nicht", sagt Rössel stolz. So ist auch bis heute nicht bekannt, ob es das Trie rer Domkapitel war, das vor sieben Jahren den Namen des Paderborner Weihbischofs Reinhard Marx als möglichen Spital-Nachfolger auf die Liste geschrieben hatte. Denkbar auch, dass ein anderes Bistum den damals 47-jährigen Westfalen empfohlen hat. Denn neben Trier selbst kann nach einer knapp 80 Jahre alten Vereinbarung ("Preußisches Konkordat") auch einer der Bischöfe der ehemals zu Preußen gehörenden Bistümer eine eigene Liste einreichen. Sämtliche Vorschlagslisten gehen zunächst zur Apostolischen Nuntiatur in Berlin, sozusagen der Botschaft des Vatikans in Deutschland. Deren Chef, Nuntius Erzbischof Erwin Josef Ender, leitet sämtliche Listen mitsamt einer von ihm erstellten "Terna" (drei von ihm favorisierte Namen) weiter zur vatikanischen Bischofskongregation. In diesem Gremium, in dem auch die deutschen Kardinäle Lehmann (Mainz) und Meisner (Köln) sitzen, wird anschließend über die Vorschläge beraten. Das Ergebnis, eine eigene "Terna", die identisch mit der des Nuntius sein kann, aber nicht muss, wird dann dem Papst vorgelegt.Ob Benedikt XVI. sie abnickt oder abändert, ist ganz allein dem katholischen Oberhaupt überlassen. Letztendlich landet die "Terna" des Papstes jedenfalls als Einschreiben auf dem Tisch des Trierer Domprop stes. Werner Rössel muss dann noch einmal die 13 übrigen Kapitulare zusammenrufen, bevor er im Kapitelsaal den Brief öffnet und die drei Namen der möglichen Marx-Nachfolger vorliest. "Das ist jedes Mal ein spannender Augenblick", weiß Rössel. Genau wie die anschließende Wahl. Dabei gilt: Gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der Stimmen bekommt. Anschließend ist es Aufgabe des Dompropstes, sich mit dem Gewählten in Verbindung zu setzen und ihm die frohe Botschaft zu überbringen. Und was ist, wenn der Betreffende ablehnt und gar nicht Bischof von Trier werden will? "Dann gibt es eine neue Terna aus Rom", sagt Rössel, der allerdings nicht verrät, ob so etwas in der Vergangenheit schon einmal vorgekommen ist. Hat der Gewählte zugestimmt, ist der Rest reine Formsache. Nach den Bestimmungen des Preußischen Konkordats muss Rössel noch bei den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland nachfragen, ob gegen den Gewählten keine politischen Bedenken bestehen. Ist dies der Fall, kann der Papst den Marx-Nachfolger ernennen. Je nach Amt, das der Gewählte zu diesem Zeitpunkt innehat, tritt er spätestens vier Monate nach der Ernennung sein Bischofsamt in Trier an. Extra Das Trierer Domkapitel besteht seit Anfang des 19. Jahrhunderts aus 20 Personen, die allesamt katholische Geistliche sind: dem Dompropst, dem Domdechanten, acht residierenden und vier nicht residierenden Domkapitularen sowie sechs Domvikaren. Letztere sind an der Bischofswahl allerdings nicht beteiligt. Den Marx-Nachfolger wählen Dompropst Werner Rössel (61), Domdechant Franz Josef Gebert (58), Prälat Rainer Scherschel (66), Prälat Klaus Peters (65), Weihbischof Robert Brahm (51), Weihbischof Jörg Michael Peters (47), Generalvikar Georg Holkenbrink (46), Pfarrer Hans Wilhelm Ehlen (65), Professor Reinhold Bohlen (61), Weihbischof Stephan Ackermann (44), Dechant i.R. Josef Schmidt (75), Pfarrer i.R. Johannes Stahl (72), Dechant Hermann Engel (66) und Dechant Karl Kneißl (69). Das Durchschnittsalter der Domkapitulare liegt bei 60 Jahren.

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