Gehirn und Gesang

BERLIN. Geburtstage, runde zumal, bieten Anlass für ausgelassene Stimmung. Der Jubilar gibt einen Empfang, es wird gescherzt, gegessen und natürlich auch getrunken. Nicht so bei Angela Merkel. Jedenfalls nicht in den ersten drei Stunden (!) der Veranstaltung.

Für den 50. Geburtstag der CDU-Vorsitzenden suchte ihre Partei ein besonderes Geschenk. Generalsekretär Laurenz Meyer klickte sich deshalb durchs Internet und filterte die Patenschaft für einen 100-jährigen Olivenbaum heraus. Alternativ kam auch ein Stück Land auf dem Mond oder ein Kosmonauten-Training in Betracht. "Aber da hatten wir Angst, sie an den Weltraum zu verlieren", sagte Meyer.Trotz Wissenschaft ein schönes Fest

Wie man es von einer richtigen Vorsitzenden gewöhnt ist, schritt Angela Merkel dann selbst zur Tat - und wünschte sich einen wissenschaftlichen Vortrag. So saßen am Montagabend rund 500 leicht verunsicherte Gäste im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, um Professor Wolf Singer zu lauschen. Sein Thema: "Das Gehirn: Ein Beispiel zur Selbstorganisation komplexer Systeme." Es wurde trotzdem eine schöne Feier. Denn der Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung wusste seine Reise in die verschlungene Gedankenwelt mit politischer Lebensnähe anzureichern. "Fünf-Jahres-Pläne müssen scheitern, weil die Dynamik der Systeme nicht analysierbar ist", rief Singer. Wie mag es da erst um eine auf drei Jahrzehnte angelegte Rentenreform stehen, fragte sich mancher im Saal. Veränderungen, so der Gelehrte, sollten "tunlichst in kleinen Schritten erfolgen". Große Sprünge hätten immer nur zu "tödlichen Mutationen" geführt. Das schien wie ein böser Fingerzeig gegen den radikalen Reformeifer der gelernten Physikerin Merkel. Beim Fazit des Wissenschaftlers waren aber alle wieder versöhnt: Es sei eine Illusion zu glauben, "dass in Berlin sehr viel mehr Intelligenz vorhanden ist als anderswo". Hier musste auch Edmund Stoiber lächeln, der aus München angereist war, um Merkel "als Schwester" eine überraschende Offerte zu machen: Er wünsche Ihr, "äh, dass all das, was Sie sich vornehmen - all das in Erfüllung geht". Hat der Mann wirklich schon seine Waffen für die nächste Kanzlerkandidatur gestreckt? Stoibers Stadthalter an der Spree, Michael Glos, erinnerte immerhin daran, dass die CSU stets für ein paar Querschüsse gut sei - die bayerischen Truppen müssten schließlich in Übung bleiben für "den Sturm auf Berlin". Nach einer weiteren Laudatio von Guido Westerwelle und vier Seemannsliedern des Volks-Chors Sassnitz trat Angela Merkel selbst ans Mikro, bedankte sich artig und fasste zusammen, was die Gäste vom Hirn-Forscher lernen sollten: "Strukturiertes und chaotisches Verhalten liegen eng beisammen", aber "das Beruhigende" sei, "nach der Pubertät tut sich wenig".

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