"Geld ist der Lebensnerv der Mafia"

Nach dem sechsfachen Mord von Duisburg warnt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor einer Mafia-Hysterie. Zugleich räumte der Minister im Interview mit unserem Berliner Korrespondenten Hagen Strauß ein, dass Deutschland Rückzugsraum einzelner Angehöriger mafioser Organisationen ist.

Berlin. (has) Herr Minister, die Morde von Duisburg haben das ganze Land entsetzt. Wie gefährlich ist die Mafia in Deutschland? Schäuble: Auch wenn sich diese abscheulichen Morde tatsächlich als Racheakt innerhalb der italienischen Mafia darstellen sollten, so sind damit keine neuen Gefahren für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes verbunden. Fast die Hälfte der dem Bereich der organisierten Kriminalität zugeordneten Straftaten wird hier von Deutschen begangen. Italienisch dominierte Gruppen stehen bei den in Deutschland festgestellten ausländischen Gruppierungen der organisierten Kriminalität nach türkischen, polnischen und russischen Gruppierungen erst an vierter Stelle. Befürchten Sie weitere Verbrechen dieser Art?Schäuble: Sicherlich müssen Polizei und Justiz besonders wachsam sein und die Ermittlungen mit großem Nachdruck führen. Immerhin ist die Zahl der Fälle von Mord und Totschlag in Deutschland im vergangenen Jahr gegenüber 2005 um fast 10 Prozent gesunken. Und zur Abschreckung der Täter sei gesagt, dass die Aufklärungsquote bei diesen Verbrechen seit Jahren bei über 95 Prozent liegt. Ist die Bundesrepublik inzwischen ein Rückzugsraum für Angehörige der Mafia?Schäuble: Die deutschen Strafverfolgungsbehörden haben seit den 80er Jahren Erkenntnisse darüber, dass einzelne Angehörige mafiöser italienischer Organisationen auch Deutschland als Rückzugsraum nutzen. Beispielsweise auf der Flucht vor den italienischen Strafverfolgungsbehörden. Seit 2000 wurden in Deutschland mehr als 40 italieni sche Staatsangehörige festgenommen, die einer italienischen kriminellen mafiösen Organisation angehörten. Darunter befanden sich auch Personen, die zu den meistgesuchten Mafiosi Italiens zählten.Die Arme der organisierten Kriminalität reichen ja sogar bis in die Wirtschaft hinein. Welche zusätzlichen Befugnisse benötigen die Behörden, um dem Problem einigermaßen Herr zu werden?Schäuble: Wichtigste Triebfeder der organisierten Kriminalität ist das Gewinnstreben der Kriminellen. In über 80 Prozent der Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität führt die Polizei auch Finanzermittlungen durch. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden Vermögenswerte in Höhe von über 150 Millionen Euro abgeschöpft. Doch sehe ich hier noch Verbesserungspotenzial. Schließlich ist Geld der Lebensnerv der organisierten Kriminalität.

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