Gemeinsam für den mächtigsten Markt der Welt

Mit einer umfassenden transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft zwischen der EU und den USA würde der größte und mächtigste Binnenmarkt der Welt entstehen. Genau das will Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Amerikabesuch Anfang kommender Woche gemeinsam mit US-Präsident George W. Bush forcieren.

Berlin. Das Bohren dicker Bretter, nennt es Angela Merkel. Von einem Marathonlauf spricht der stellvertretende amerikanische Finanzminister Robert M. Kimmitt. Das Vorhaben, das Merkel an der Spitze einer EU-Delegation am Montag in Washington mit US-Präsident George Bush und seinem Kabinett erst diskutieren und dann unterschreiben will, kann in der Tat der Einstieg zu etwas ganz Großem sein. Eine transatlantische Wirtschaftspartnerschaft soll entstehen, am Ende sogar so etwas wie ein Binnenmarkt, der die 27 EU-Staaten und die USA und Kanada umfasst. Er wäre auf lange Sicht der mächtigste Markt der Welt. Die beiden Teilkontinente erwirtschaften zusammen 60 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts. Ein Riesenpotenzial, das aber noch viel stärker sein könnte, wenn man mehr miteinander als neben- oder gegeneinander arbeiten würde. Auf zwei bis 3,5 Prozent schätzt die OECD den Wachstumsimpuls, den eine wirtschaftliche Integration über den Atlantik hinweg in Europa zusätzlich auslösen würde. Ein bis drei Prozent wären es in den USA. Stattdessen hat die Globalisierung aber in beiden Kontinenten zunächst protektionistische Reflexe ausgelöst, wie Merkel jüngst beklagte. Die Kanzlerin hat das Thema im letzten Jahr schon auf die Tagesordnung ihrer EU-Ratspräsidentschaft gesetzt und kräftig vorarbeiten lassen. EU-Ausschuss-Vorsitzender Matthias Wissmann (CDU) legte im letzten Sommer 2006 ein Thesenpapier dazu vor, und im März erst fand eine hochrangig besetzte Expertenveranstaltung der Unions-Fraktion statt. Jetzt kann die Kanzlerin die ersten Ergebnisse vorweisen. In Washington wird das gerade fertig verhandelte Luftverkehrsabkommen mit den USA unterzeichnet werden, das die transatlantische Fliegerei wesentlich erleichtert und für die Gesellschaften lukrativer macht. Ausdrücklich vorgesehen sind in dem Text weitere Verhandlungen über eine spätere totale Marktliberalisierung in diesem Sektor. Zugleich wird eine Rahmenvereinbarung über die transatlantische Wirtschaftsintegration verabschiedet. Sie ist zwar erst ein Anfang und recht unverbindlich, aber sie benennt die Themen und schafft Strukturen, mit denen man weiterarbeiten kann. Ein Transatlantischer Wirtschaftsrat wird gebildet, der die Fortschritte beim Arbeitsprogramm überwachen und beiden Seiten regelmäßig berichten soll. EU-Industriekommissar Günter Verheugen soll dem Rat von europäischer Seite vorstehen. Sein amerikanischer Partner steht noch nicht fest, soll aber ähnlich hochrangig sein. Die Themen sind markiert: Schaffung gemeinsamer Standards für Industrieprodukte, etwa Autos. Weil die Vorschriften zum Beispiel für die erforderlichen Testprogramme und sogar für den Winkel, in dem die Scheibenwischer stehen müssen, unterschiedlich sind, entstehen der Industrie hier vermeidbare Zusatzkosten. Weiter geht es um die Harmonisierung des Patentrechtes, um vergleichbare Standards der Rechnungslegung von Unternehmen, um die gegenseitige Anerkennung der Sicherheitsmaßnahmen etwa der Häfen, die Offenhaltung der Märkte für Investitionen aus dem jeweils anderen Gebiet und vieles mehr. Die Erklärung soll auch eine Initiative aufnehmen, die EU-Kommissar Peter Mendelson Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorstellte: Immer wenn neue Regeln und Standards entwickelt werden, soll dies von vornherein gemeinsam geschehen. Das wollen beide Seiten in Washington schon für die Entwicklung moderner Biokraftstoffe und für die Technik CO{-2}-freier Kraftwerke vereinbaren. Um Handelshemmnisse wird es bei der Erklärung allerdings nicht gehen. Zölle, Steuern und Subventionen sind Gegenstand der Welthandelsrunde von Doha und deshalb ausgeklammert. In Bezug auf die USA machen sie nach Überzeugung der Bundesregierung ohnehin das geringste Problem aus.

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