Gemischte Gefühle

TRIER. Was ist von den Vorschlägen der EU-Kommission zur Agrarreform zu halten? Darüber sprach der TV mit zwei Expertinnen: der Europa-Abgeordneten Christa Klaß (CDU) und der Bundestags-Abgeordneten Ulrike Höfken (Grüne).

Bauernpräsident Sonnleitner sieht bei einer Umsetzung der Vorschläge 430 000 deutsche Höfe untergehen, EU-Kommissar Fischler verspricht den Bauern ein höheres Einkommen. Wer hat denn nun Recht, wie bewerten Sie die Vorschläge? Klaß: Da gibt es keinen Gegensatz. Wenn Prämien von der Produktion entkoppelt werden, werden landwirtschaftliche Produzenten aufgeben es wird weniger produziert, und wenn weniger auf den Markt kommt, steigen die Preise. Höfken: Das Positive ist, dass die Vorschläge nun da sind. Es gibt keine Alternative zu Reformen, wenn die Osterweiterung den Finanzrahmen nicht sprengen soll. Gut finde ich die Ausrichtung auf Qualität, die Umwelt und die Unterstützung des ländlichen Raumes. Die Überschriften der Reformpläne sind gut. Darunter stehen allerdings noch viele Fragezeichen. Subventionen sollen künftig nicht mehr an die Produktion gebunden sein, sondern an die Betriebsgröße oder Fläche. Was halten Sie davon? Klaß: Eine teilweise Entkopplung halte ich für sinnvoll. Doch Landwirte, die ihre Erzeugung aufgeben, dürfen den produzierenden Bauern nicht gleichgestellt sein. Höfken: Es ist schade, dass der Faktor Arbeit nicht Teil des Fördersystems ist vor allem vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit. Arbeitsintensive Bereiche wie Weinbau, Tierhaltung und ökologischer Landbau hätten so einen Anreiz erhalten. Wir werden versuchen, das auf nationaler Ebene zu verankern. Insgesamt muss es eine praxistaugliche Umsetzung geben. Das Milchquotensystem soll beibehalten werden, die Quote steigen und der Interventionspreis sinken. Ist das sinnvoll? Klaß: Ich begrüße die Beibehaltung der Quotenregelung bis 2014, damit haben unsere jungen Bauern Planungssicherheit. Die Erhöhung der Quoten bei gleichzeitiger Senkung des Interventionspreises halte ich aber für falsch. Damit ist ein Preisverfall programmiert. Höfken: Das ist der Punkt, der Deutschland am intensivsten trifft. 40 Prozent der Einkommen unser Landwirte hängen mit der Milchproduktion zusammen. Wenn der Milchpreis auf 22 Cent sinkt, kann keiner unserer Betriebe mithalten. Wir müssen uns gegen eine Erhöhung der Quote und für eine echte Milchmengenbegrenzung einsetzen, die den Preis stabilisiert. Das Ganze sollte man koppeln mit einer Förderung des Grünlands, das bisher benachteiligt ist. Neu ist auch die Modulation: Direktbeihilfen sollen pauschal gekürzt werden und ein Teil des gesparten Geldes in die Entwicklung des ländlichen Raums fließen. Sind Sie damit einverstanden? Klaß: Es müsste ein größerer Teil des Geldes dorthin fließen, wo es abgezogen wird: in den ländlichen Raum und besonders in die Betriebe. Allerdings hat das Europäische Parlament einiges in dieser Hinsicht erreicht. Es soll beispielsweise Programme zur Qualitätssicherung und zur Absatzförderung landwirtschaftlicher Produkte, aber auch Umweltprogramme, geben. Höfken: Die ländlichen Räume brauchen Strukturhilfen, nicht nur bei uns. In Polen zum Beispiel ist das dringend notwendig, wenn wir nicht wollen, dass die Arbeitskräfte von dort hierher kommen. Die Gelder sollten diesen Bereichen zukommen und nicht von Brüssel eingesammelt werden. Ärgert es sie, dass eine Kappungsobergrenze nun vom Tisch ist und damit weiter eine kleine Zahl von Großbetrieben einen Löwenanteil der Zuschüsse erhalten wird? Klaß: Unsere Region betrifft die Kappung nicht. Wir müssen solidarisch sein mit den Großbetrieben im Osten, in denen viele Menschen beschäftigt sind. Höfken: Es ist gut, dass dieser Vorschlag ad acta gelegt wurde. Wir können doch die ostdeutschen Betriebe nicht platt machen. Ich sehe darin keine Entwicklung weg vom bäuerlichen Familienbetrieb, denn der wird ja über die Modulation künftig stärker berücksichtigt. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Vorschläge realisiert werden? Klaß: Das Europäische Parlament wird nun dazu Stellung nehmen und dabei Änderungen vorschlagen, etwa in der Frage, wo die Gelder aus der Modulation eingesetzt werden und wann die Reform in Kraft tritt. Eine große Diskussion wird es sicherlich über die vorgeschlagene Erhöhung der Milchquote geben. Die Vorschläge des Parlaments werden in den Meinungsbildungsprozess einfließen. Höfken: Die Reaktionder EU-Agrarminister auf die Pläne war verhalten. Den einen gehen sie nicht weit genug, die anderen würden am liebsten gar nichts verändern. Die Überschriften wie Modulation und Entkoppelung werden bleiben, aber in einigen Punkten wird es Änderungen geben. Das sollte etwa bei den nachwachsenden Rohstoffen der Fall sein: Sie werden nach den Fischler-Plänen eher benachteiligt als gefördert. Was ändert sich in der Region, wenn die Vorschläge der Kommission umgesetzt werden? Klaß:Es wird keinen Big Bang geben. Veränderungen werden im Rahmen des Generationswechsels sowieso erfolgen. Wer mit Lust und Power an die Arbeit geht, Betriebe, die sich dem Markt stellen, werden auch in der Zeit nach den Fischler-Vorschlägen Chancen haben. Der Bauer der Zukunft wird nicht zuletzt durch seine unternehmerischen Fähigkeiten erfolgreich sein. Ich kämpfe weiter für den Erhalt des bäuerlichen Familienbetriebs. Wichtig ist, dass wir nationale Gestaltungsmöglichkeiten erhalten, und dass eine gute nationale Agrarpolitik gemacht wird mit dem Schwerpunkt auf dem bäuerlichen Familienbetrieb.Höfken: Wenn sich die Probleme mit der Milch lösen lassen und Viehhaltung, Grünland und benachteiligte Gebiete besser gefördert werden, könnte die Reform durchaus positive Effekte haben für die Region, aber auch für die Landwirtschaft selbst. S Das Gespräch führte Inge Kreutz .

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