General als Sündenbock

BERLIN. Der Auftrag des SPD-Generalsekretärs ist klar: Er soll seiner Partei die Politik der Bundesregierung erklären und die Programm-Debatte anstoßen und beleben. Letzteres ist Olaf Scholz gelungen - allerdings nicht ganz im Sinne des Erfinders.

Die Diskussion über die Modernisierung des aus den 80er Jahren stammenden Parteiprogramms hat sich gegen Scholz selbst gewendet. Gleichzeitig wuchs der Unmut der Genossen über den Parteimanager, dem das miserable Erscheinungsbild der SPD angekreidet wird. Der kleine General, seit knapp einem Jahr Chef im Willy-Brandt-Haus, ist nicht nur mit seinem Plan auf Sand gelaufen, traditionelle SPD-Begriffe "umfassender" zu definieren oder komplett zu streichen. Nach drei deftigen Wahlschlappen hintereinander (Hessen, Niedersachsen, Bayern) haben sich frustrierte Sozialdemokraten auf ihn auch als generellen Sündenbock eingeschossen. Scholz soll schuld sein, dass " dass die Agenda 2010 nicht richtig "rüberkommt", dass die Stimmung so schlecht ist. Als getreuer Diener seines Herrn weiß der 45-jährige Hamburger natürlich, dass er stellvertretend für seinen Chef Gerhard Schröder den Kopf hinhalten muss. So manchem, was der Generalsekretär sage, könne er nur sehr zögerlich folgen, meinte etwa der Parteilinke Ottmar Schreiner, als ehemaliger Bundesgeschäftsführer einer der Vorgänger von Scholz. Das bayerische Wahlergebnis sei jedenfalls nicht etwa ein "Betriebsunfall" gewesen, wie der General glauben machen wolle, sondern Ergebnis einer Politik, die nach Ansicht der Linken "soziale Unwucht" aufweist. Bundesvorstandsmitglied Garrelt Duin (Weser-Ems) forderte jedenfalls den Rücktritt des Generals. Man müsse ernsthaft darüber nachdenken, ob nicht "jemand anderes" den zweitwichtigsten Posten in der Partei übernehmen sollte. Duin nannte zwar keinen Namen, aber seit längerem schon wird eine Person als Scholz-Nachfolger gehandelt, der mehr Durchschlagskraft und eine höhere "Akzeptanz" zugetraut wird. Der Mann heißt Sigmar Gabriel, war bis Februar 2003 Ministerpräsident in Hannover und versauert derzeit in der niedersächsischen Provinz. Gabriel hat sich am Dienstag zu Wort gemeldet, recht gemäßigt für seine rustikalen Verhältnisse. Zu Schröders Reformagenda gäbe es keine Alternative, flötete der General im Wartestand in einem Interview. Allerdings müssten größere Anstrengungen unternommen werden, um den Bürgern den Reformkurs verständlich zu erklären. So blieb es einmal mehr dem ehemaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine vorbehalten, richtig Tacheles zu reden: In seinem Forum "Bild-Zeitung" warnte der Saarländer wie schon seit Jahren, der Wähler wende sich "mit Grausen", wenn es nicht sozial und gerecht zuginge. "Wo SPD drauf steht, darf nicht FDP drin sein", schrieb Lafontaine.

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