Genervt, gereizt — und hilflos

Düstere Worte hat gestern der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), zu den Ereignissen bei der Telekom gefunden. Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem "allgemeinen Vertrauensverlust", weil sich die Skandale in den deutschen Top-Unternehmen häufen.

Berlin. (has) Die Liste der öffentlich gewordenen Verfehlungen ist mittlerweile ziemlich lang — die satten Abfindungen und Gehaltserhöhungen für Vorständler mal beiseite gelassen. Einige Beispiele: Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel und andere sollen über das Fürstentum Liechtenstein Millionen von Euro am deutschen Fiskus vorbeigeschleust haben; bei Siemens flossen Schmiergelder in Millionenhöhe; Volkswagen lud den Betriebsrat nachweislich zu Lustreisen ein; Nokia kassierte Subventionen für Arbeitsplätze, die dann nach Rumänien verlagert wurden; nicht zu vergessen die Bankenkrise, in deren Verlauf Milliarden aus Steuermitteln zur Rettung maroder Landesbanken eingesetzt werden mussten; und nun auch noch die Deutsche Telekom, die Manager, Aufsichtsräte und Journalisten bespitzeln ließ. Ausgerechnet das Flagschiff unter den europäischen Kommunikationskonzernen, bei dem der Bund als Großaktionär im Aufsichtsrat sitzt. Kein Wunder, dass die Politik inzwischen zunehmend gereizt und genervt auf die Fülle der Skandale reagiert. Insbesondere jedoch, weil man nicht weiß, wie man mit den Affären der Elite umgehen soll. Der Telekom-Skandal belegt dies einmal mehr. Während die Opposition erneut die Rücknahme des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung forderte und der Bundestag heute auch darüber debattieren wird, streitet man innerhalb der Koalition weiter über eine gemeinsame Linie: So sprach sich Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) gestern zwar gegen weitere Datenschutzgesetze aus, aber für schärfere Sanktionen.Bahn verneint einen "zweiten Fall Telekom"

Für einen "Weltkonzern" wie die Telekom seien 300 000 Euro Bußgeld "ganz offenkundig nicht abschreckend genug", so Bosbach. Röttgen indes wollte davon nichts wissen, erst müsse der Vorgang analysiert werden. SPD-Fraktionschef Peter Struck lehnte es ebenfalls ab, gleich nach neuen Gesetzen oder höheren Strafen zu rufen. Und CSU-Landesgruppen-Chef Peter Ramsauer zeigte Mitleid: Man solle es Telekom-Chef René Obermann nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon sei, so Ramsauer. Womit der Bayer die ganze Hilflosigkeit der Politik im Umgang mit solchen Affären offenbarte, gegen kriminelle Energie ist nun mal kein Kraut gewachsen. Vermutlich auch deshalb atmete man gestern im politischen Berlin tief durch, als die Deutsche Bahn Vorwürfe zurückwies, wie die Telekom illegale Daten von einer Berliner Überwachungsfirma bezogen zu haben. Es seien "Aufträge ausschließlich im Rahmen der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und von Korruption vergeben" worden, so der Korruptionsbeauftragte des Konzerns, Wolfgang Schaupensteiner. Fazit der Bahn: Einen "zweiten Fall Telekom" gebe es nicht.

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