Gerecht ist, was Arbeit schafft

BERLIN. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die SPD nach wochenlangem Streit über tiefe Einschnitte ins Sozialsystem auf seinen Reformkurs gebracht. Rund 90 Prozent der 524 Delegierten votierten am Sonntag auf dem Sonderparteitag in Berlin für die "Agenda 2010".

Als eine satte Mehrheit von etwa 70 Prozent der Delegierten die Hände hob, um die Reform der sozialen Sicherungssysteme und damit die Privatfinanzierung des Krankengeldes abzusegnen, entspannte sich das Gesicht des Bundeskanzlers zu einem zufriedenen Lächeln. Ein Augenzwinkern in die erste Reihe, wo Ehefrau Doris den Sonderparteitag der SPD verfolgte, signalisierte den Genossen im Berliner "Estrel"-Hotel, dass Gerhard Schröder sich als Sieger fühlte und auch fühlen durfte: Die folgende Endabstimmung über die umstrittene Agenda 2010 war plötzlich nur noch Formsache. 90 Prozent Gesamtzustimmung per Akklamation, so die (optimistische) Schätzung des Tagungspräsidiums, gaben dem Kanzler grünes Licht, sein Reformwerk im Bundestag anzugehen. Die Schlacht um den Kurswechsel war geschlagen. Klar, dass Schröder danach "stolz und glücklich" war, und sich der zuvor bärbeißige Rücktrittsdroher nun als sanftmütiger Schmeichler präsentieren konnte. Alle und alles wurden gelobt: Die "gute und entschlossene" Partei, der eifrige (und zuweilen unverstandene) Generalsekretär Olaf Scholz, die Altvorderen Hans-Jochen Vogel und Erhard Eppler, deren Redebeiträge ein paar Zweifler überzeugt hatten, es sei insgesamt wohl besser, nicht gegen, sondern für den Kanzler zu votieren. Schröder hatte seine Ziele komplett erreicht, was ihn bester Laune in den Airbus steigen ließ, der ihn unmittelbar nach dem Parteitag zum G8-Gipfel nach Evian (Frankreich) transportierte. Trotz der Eindeutigkeit der Verhältnisse brauchten sich die Gegner der Agenda aber nicht zu grämen. Sie haben den Sonderparteitag und die intensive Aussprache über den neuen Weg der alten Sozialdemokratie erst ermöglicht. Und sie haben sogar einige Änderungen an dem Reformkonzept durchsetzen können, auch wenn die Agenda - wie von Schröder stets gefordert - in ihrer Substanz nicht angetastet wurde. Linke Kritiker mit erhobenem Haupt

Immerhin konnten die Kritiker um Ottmar Schreiner erreichen, dass der beklagten sozialen Unausgewogenheit mit einem zusätzlichen "Perspektiv-Antrag" halbwegs Rechnung getragen wurde. Zwar wurde der (von den Landesverbänden Saarland und Schleswig-Holstein unterstützte) Initiativantrag zur "Weiterentwicklung" der Vermögen- und Erbschaftssteuer von der Antragskommission glatt gebügelt; doch zumindest soll nun auf dem ordentlichen Parteitag im November beschlossen werden, dass auch "große Einkommen und Vermögen in ausreichender Weise ihren gerechten Beitrag für die Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft leisten".

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