Geschickte Polit-Pop-Ikonen

BERLIN. Würde jetzt gewählt, bekäme die neue Linkspartei zwölf Prozent. In Ostdeutschland wäre sie mit 34 Prozent gar stärkste politische Kraft. Zum Höhenflug der Linkspartei sprachen wir mit Klaus-Peter Schöppner, Chef des Bielefelder Meinungsforschungsinstituts Emnid.

Was macht die neue Linkspartei so erfolgreich?Schöppner: Erstens verfügt die Partei über Symbolfiguren, die Polit-Pop-Ikonen Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Diese beiden Spitzenkandidaten schaffen es rhetorisch geschickt, vielen Wählern den Glauben zu geben, Deutschland würde trotz Pleite am ehesten durch gerechtes Geldverteilen und nicht durch eine Politik der besseren Geldbeschaffung gesunden. Zweitens: der Medien-Hype und ihr Erfolg in Sonntagsfragen. Je öfter die Linken die Schlagzeilen dominieren, desto attraktiver werden sie und umso stärker zentriert sich Protestwählen auf diese eine Partei. Bislang vagabundierten die Frustrierten zwischen allen Parteien: von scharf links bis extrem rechts. Nun hat, wer "meckern" wählt, plötzlich eine Heimat. Also profitieren die Linken auch auf Kosten der Rechten. Und drittens sprechen die Linken die Sprache der Ausgegrenzten. Nur sie nehmen ihre Sorgen ernst, wird gemeint, so dass die Linkswähler mit ihrer Stimmabgabe auch gegen die Worthülsen der Etablierten protestieren. Woher kommen aber die erstaunlichen zwölf Prozent?Schöppner: Fast die Hälfte sind PDS-Wähler Ost. Ein Viertel von ihnen frustrierte ehemalige SPD-Wähler West. Jeder sechste Wähler stammt aus dem Lager der bisherigen Nichtwähler, jeder zehnte würde sonst rechtsextrem wählen. Besonders stark sind die Linken bei den 40 bis 55-Jährigen: die wie keine andere Gruppe in Deutschland Existenzängste hat. Wenn sie in diesem Alter arbeitslos werden, finden sie meist nur noch schwer einen Job. 60 Prozent ihrer Wähler sind Männer, ganz oft leben sie von staatlicher Unterstützung. Während das Bildungsniveau kaum Einfluss besitzt. Gerade im Osten Deutschlands hat die "Gy-La-Partei" so ihr theoretisches Reservoir von 40 Prozent zu 75 Prozent ausgeschöpft. Wird die Linkspartei auf Dauer eine politische Größe sein?Schöppner: Protest hält nur kurz, wie uns Schill in Hamburg, die DVU in Magdeburg und die NPD in Sachsen lehrt. Die Linken sind wahrscheinlich zu früh gestartet. Wie erfolgreich sie auf Dauer sein werden, wird davon abhängen, ob sie es schaffen, nach der Phase des Protests ihre Zukunftsideen glaubhaft vermitteln zu können. Dass allerdings ist in Deutschland Protestparteien bislang noch nie gelungen. Bei den Grünen liegt der Fall anders: Sie boten gleich echte Lösungsalternativen an. d Die Fragen stellte unser Korrespondent Friedhelm Fiedler.

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