Gesundheitssystem: So klug als wie zuvor

BERLIN. In der Rürup-Kommission herrscht offenbar Uneinigkeit über die Modelle zur Finanzierung des Gesundheitssystems. Trotzdem versuchte der Chef, die Kommissionsarbeit als Erfolg zu verkaufen.

BertRürup suchte die Not in eine Tugend zu verwandeln: Es könne nichtAufgabe der Kommission sein, der Politik eine solch "bedeutsameEntscheidung vorwegzunehmen". Der Rest ging erst einmal imGelächter der Journalisten unter. Denn was der Darmstädter Finanzwissenschaftler wortreich bemäntelte, war nichts anderes als die heillose Zerstrittenheit des Expertengremiums. Eigentlich sollten die Gelehrten der Bundesregierung ein konsensfähiges Modell zur langfristigen Finanzierung des Gesundheitswesens unterbreiten. Doch in den letzten Wochen wurden die Dissonanzen immer lauter. Ende März drohte der Kanzler gar mit der Auflösung der 26-köpfigen Runde aus Wissenschaftlern, Politikern sowie Gewerkschafts- und Kassenfunktionären. Danach übte sich der profilierungssüchtige Teil zwar brav in öffentlicher Zurückhaltung. Doch hinter den Kulissen herrschte weiter Streit.

Personifizierter Ausdruck der Misere sind Kommissionschef Bert Rürup und der Kölner Gesundheitsökonom Karl Lauterbach. Ihre Ideen harmonieren ungefähr so wie ein Vorschlaghammer mit einem Flötenkonzert. Während Rürup einen fundamentalen Systemwechsel anstrebt, ist Lauterbach zur Rettung der herkömmlichen Krankenversicherung angetreten. Der eine will die hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu finanzierenden Beiträge durch Kopfprämien der Versicherten ersetzen und die Arbeitskosten damit radikal entlasten. Der andere möchte den Versichertenkreis auf alle Erwerbstätigen (auch Beamte und Selbständige) ausdehnen und sämtliche Einkünfte beitragspflichtig machen.

Rürup will keine Abstimmung

Wohl aus Angst vor dem offenen Bruch scheute Rürup aber eine Abstimmung. Er wolle den Konsens zur Renten- und Pflegeversicherung nicht gefährden, meinte der Kommissionschef. Zu diesen Punkten werden die Experten bis zum Sommer ihre Vorschläge unterbreiten. So ließ Rürup beide Gesundheitsmodelle alternativ in eine "Beschlussvorlage" schreiben. Doch auch dieses Papier stieß nicht auf ungeteilte Gegenliebe. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer sprach gegenüber dem TV von einer "beachtlichen Minderheit", die wie sie für Ablehnung votierte. Ein Stein des Anstoßes waren auch die kurzfristige Senkung der Beitragssätze. So sollen bereits bestehende Zuzahlungsregelungen durch Praxisgebühren ausgeweitet werden. Zugleich wird eine Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen (Mutterschaftsgeld, künstliche Befruchtung) angeregt.

Zusammen mit der Ausgrenzung des Krankengeldes aus dem Leistungskatalog und der Preisfreigabe für bestimmte Arzneimittel, könnten nach Rürups Angaben schon 2004 rund 24 Milliarden Euro gespart werden. Das entspricht einem durchschnittlichen Beitragssatz von nur noch 12 Prozent (gegenwärtig 14,3 Prozent). "Das ist doch nur ein Nachklapp zur Regierungserklärung des Kanzlers und den Reformeckpunkten von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt", kritisierte Engelen-Kefer. In der Tat sind die meisten Maßnahmen bereits offizielle Regierungslinie.

Die Opposition ging scharf mit der Rürup-Truppe ins Gericht. "Die Kommission ist grandios gescheitert", sagte CDU-Sozialexperte Andreas Storm. "Wenn nicht einmal die Politikberatung einen gemeinsamen Vorschlag zustande bringt, dann ist das die Vorstufe zur Selbstauflösung". Nach Ansicht Storms hat weder das Modell Rürups noch Lauterbachs eine realistische Chance. So wird die Politik sicher keinen Vorschlag lupenrein übernehmen. Ulla Schmidt gab sich gelassen: Erst einmal müsse man die einzelnen Punkte prüfen.

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