Gibt der Berg jetzt Ruhe?

TRIER. Es hätte in einer Katastrophe enden können: Ein paar Stunden später und die in Trier-Pallien abgestürzten Felsen hätten Menschen unter sich begraben können. Die Anwohner leben seit Jahren mit der Angst.

Der Boden vibriert. Ein lautes Grollen schreckt an diesem Morgen gegen 8.20 Uhr die Bewohner der Bonner Straße in Trier auf. Innerhalb von Sekunden ist der Hof des Mehrfamilienhauses mit der Nummer 46 von einer roten Staubwolke umhüllt. Was danach sichtbar wird, übersteigt die Befürchtungen der Anwohner: Die tonnenschweren, roten Felsbrocken haben eine Doppelgarage unter sich begraben. Nichts ist mehr von den als Werkstätten genutzten Fertigbauten zu sehen. Fast fünf Meter weit sind die Steine ins Grundstück gerollt, haben Tannen wie Streichhölzer umgeknickt, die Zufahrten zu drei Garagen sind zugeschüttet. Auf den Terrassen zweier Appartements in einem lang gezogenen Bungalow liegen Baumwurzeln, die Gartenmöbel sind umgestürzt. Die Mieter wissen noch nichts davon, dass sie vorerst ihre Zwei-Zimmer-Wohnungen nicht mehr betreten dürfen. "Wenn hier draußen Kinder gespielt hätten…", Renate Schmidt-Meineke bringt den Satz nicht zu Ende. Sie wohnt zwei Häuser nebenan, ihr Haus grenzt direkt an die Felswand. Als der Hang runter gekommen ist, hat sie auf ihrer Terrasse gestanden: "Es war wie ein Erdbeben. Ich habe gezittert." Seit drei Jahren wohnt sie in dem Trierer Stadtteil Pallien: "Es ist eine trügerische Idylle." Sie zeigt auf die senkrecht aufsteigende rote Felswand. "Trotzdem will ich nicht hier weg." Seit langem machen die Anwohner in der Straße die Verantwortlichen der Stadt auf eine mögliche Katastrophe aufmerksam. "Jetzt müssen wir was tun", fordert Renate Schmidt-Meineke ihre Nachbarin Dorothee Becker auf. Ihr gehört das Grundstück mit dem Mehrfamilienhaus und den vier Appartements, auf dem sich die Beinahe-Katastrophe ereignet hat. Sie ist kreidebleich. Fassungslos steht sie vor dem rot-weißen Absperrband, das die Polizei am Morgen fünf Meter vor den mannshohen Felsstücken gespannt hat. Seit ihrer Kindheit wohnt sie in dem Trierer Stadtteil, sie kennt den Berg. "Dass da immer wieder kleine Brocken runter kommen, weiß ich. Aber so was?" Das sei nicht absehbar gewesen, meint auch Herbert Schuhmacher von der Trierer Bauaufsicht: "Wer am Hang baut, muss immer damit rechnen, dass mal was runter kommt." Das hier sei schon "eine teuflische Kiste". Er vermutet, dass sich Oberflächenwasser in den Felsspalten gesammelt hat. Durch Wechsel zwischen Frost und Tauwetter sind wahrscheinlich Spannungen in der Felswand aufgetreten, die sie dann quasi gesprengt haben. Immer wieder blicken die Anwohner beunruhigt auf die Felswand. Gibt der Berg jetzt Ruhe? Ein tiefer Riss klafft direkt neben der Stelle, an der an diesem Morgen der Hang gerutscht ist. Einige Felsbrocken hängen lose an der Felswand.

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