Gift aus der Luft soll Wälder retten

Wie kann der Wald vor den gefräßigen Borkenkäfern geschützt werden, die in diesem Jahr in ungekanntem Ausmaß auszuschwärmen scheinen? CDU-Politiker Michael Billen und die SPD-Landesregierung streiten über Hubschrauber-Spritzungen. Viele Experten halten davon wenig.

Trier. Unter der Hand, erzählt Michael Billen, bestätigten die Förster ungeschminkt: "Der Wald hat gegen den Borkenkäfer nur eine Chance, wenn Hubschrauber-Spritzungen zugelassen werden." Offen sagten sie das als Staatsbedienstete allerdings nicht, berichtet der CDU-Landtagsabgeordnete.Denn das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz lehnt Billens Vorstoß ab, Hubschrauber-Spritzungen gegen den Schädling zuzulassen. "Der Landesregierung ist kein Insektizid bekannt, das für die Bekämpfung des Borkenkäfers mittels Luftausbringung zugelassen ist", heißt es in der Antwort auf Billens Anfrage. Zudem sei die Hubschrauber-Spritzung unwirksam, weil die Chemikalie die in der Rinde sitzenden Käfer nicht erreiche. Billen verweist derweil darauf, dass die Bekämpfungsmethode etwa in Hessen gang und gäbe sei. "In Mainz sitzen Leute, die keine Ahnung haben", schimpft ein privater Waldbesitzer, der unter anderem rund 70 Hektar bei Konz-Oberemmel (Kreis Trier-Saarburg) bewirtschaftet. Ein Mittel namens "Karate Forst" sei sowohl für Hubschrauber-Spritzungen als auch gegen Borkenkäfer zugelassen. Es lege sich wie ein Pilz in die Kronen der Bäume und töte die Käfer, wenn sie ausschwärmten. Peter Hefner, Sprecher des "Karate Forst"-Herstellers Syngenta Agro, bestätigt, dass das Mittel für Hubschrauber zugelassen ist - allerdings nur gegen Blatt- und Nadelfresser. Zwar gebe es auch eine Zulassung gegen Borkenkäfer, dann müsse "Karate Forst" aber mit Bodengeräten ausgebracht werden."Damit spritzt man alles tot"

In den von Billen als Beispiel genannten hessischen Wäldern hat es nach Auskunft von Horst Marohn, dem Sprecher des Landesbetriebs Hessen Forst, großflächige Hubschrauber-Bekämpfungen des Schädlings Schwammspinner gegeben - nicht jedoch von Borkenkäfern. Der Leiter der Abteilung Waldschutz, Michael Habermann, sagt: "Hubschrauber-Spritzungen gegen Borkenkäfer? Das ist schlichter Unsinn. Erstens ist es unzulässig und zweitens unwirksam." Auch aus Umweltgründen sei ein solches Vorgehen nicht vertretbar. Ähnlich sieht das Forstoberamtsrat Friedrich Schumann von der Arenbergischen Revierförsterei in Oberkail (Kreis Bitburg-Prüm). "Hubschrauber-Spritzungen kann man abhaken - damit spritzt man alles tot." Bei den erwarteten Käfermassen komme man um den Einsatz von Chemie wohl nicht herum. Gespritzt werden dürfe allerdings nur "punktuell und picobello". Mit einer sachgerechten Bewirtschaftung - etwa dem zügigen Fällen und Entrinden der Käferbäume - könne viel erreicht werden, sagt Schumann, zu dessen Revier 1600 Hektar Wald gehören. Ein besonderes Risiko geht dem Oberkailer Förster zufolge von Privatleuten aus, die ihre kleinen Wälder nicht bewirtschaften. Der Besitzer des Privatwalds bei Konz fordert, im Notfall müsse der Staat einschreiten können: "Wenn du nichts unternimmst, machen wir das, und du zahlst." Er kritisiert zudem, dass wegen eines massiven Personalabbaus in den vergangenen Jahren gerade in Staatsforsten die Aufarbeitung von Schadholz teilweise schleppend vorangehe. Obwohl Förster Schumann mit einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden rechnet, warnt er vor einer allzu pessimistischen Einschätzung der Borkenkäfer-Bedrohung: Von "biblischen Ausmaßen", wie in den vergangenen Wochen bisweilen zu hören war, könne keine Rede sein.Außerdem bestehe noch Hoffnung auf Hilfe von oben: "Nass-kalte Witterung ist das beste Mittel gegen Borkenkäfer, das es gibt." Meinung Mit Kanonen auf Spatzen Dem Wald droht Ungemach durch den Borkenkäfer, da gibt es keinen Zweifel. Deshalb ist allerdings noch lange nicht die radikalste aller denkbaren Methoden, die Bekämpfung per Hubschrauber, angesagt. Es ist völlig offen, ob die Käferplage wirklich so schlimm wird wie befürchtet. Hinzu kommt, dass es auch in anderen Jahren massive Invasionen gab, die der Wald ohne Hubschrauber-Spritzungen überlebt hat. Und zu bedenken ist auch, dass diejenigen, die jetzt vehement vor den Folgen dieser Bekämpfungsart warnen, keinesfalls Umwelt-Ideologen sind, sondern Leute, die durchaus den wirtschaftlichen Aspekt des Forstens im Blick haben. Bleibt schließlich noch zu sagen, dass der CDU-Vorstoß für eine Hubschrauber-Spritzung gegen Borkenkäfer schlecht recherchiert ist. Haben nicht der Syngenta-Sprecher und die hessischen Forst-Experten zugleich Unsinn verzapft, hat die rheinland-pfälzische Landesregierung, selbst wenn sie es wollte, keinerlei Möglichkeit, diese Methode zu erlauben. hintergrund Situation im Wald: Borkenkäfer befallen in der Regel liegende oder geschwächte Bäume. Nach dem Sturm Kyrill finden sie beste Voraussetzungen vor. Viele entwurzelte Bäume liegen noch im Wald, und viele stehende sind durch Wurzelschäden geschwächt und können nicht schnell genug Harz bilden, um ein Eindringen des Käfers zu verhindern. Die Trockenheit der vergangenen Wochen verstärkt dieses Problem noch. Die Landesregierung empfiehlt Maßnahmen wie die regelmäßige Kontrolle der Bestände, eine schnelle Aufarbeitung befallener Bäume, den Abtransport, bevor neue Bruten ausfliegen können und, als "ultima ratio", Holzstapel am Wegesrand, die so genannten Polter, mit Insektiziden zu behandeln. Der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Billen und einige Waldbesitzer gehen dagegen davon aus, dass die Holzmengen nicht rechtzeitig abtransportiert werden können, und deshalb vor allem größere Windwurf-Flächen mit Chemikalien behandelt werden müssen. Das sei nur aus der Luft möglich. Sie fürchten, dass sich der Käfer andernfalls so stark vermehrt, dass er auch gesunde Bäume angreift. (ik)

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