Größere Gefährdung - höhere Strafen

Wieder einmal will der Staat mehr Geld von seinen Bürgern. In diesem Fall jedoch nur von denen, die auf unseren Straßen bestehende Vorschriften missachten und dadurch sich und andere erheblich gefährden. Notwendige Gesetzesänderung oder nur Abzocke - Populismus und Parteiengezänk? Die Meinungen gehen auseinander.

Berlin/Trier. Albert Port weiß, wovon er spricht. Seit mehr als 20 Jahren ist der Trierer Polizeikommissar mehrmals wöchentlich mit einem Video-Überwachungsfahrzeug, "ProVida" genannt, unterwegs. Er sagt: "Der Lerneffekt ist dabei für die Betreffenden ungleich größer. Wenn wir jemanden sofort rauswinken und ihm anhand des Videos sein Vergehen noch einmal vorführen, wirkt das eindringlicher, als wenn man vier Wochen später ein ,Knöllchen' bekommt." In zwei Jahrzehnten "Pro-Vida", so Port, habe er Dinge erlebt, "die man nicht für möglich hält, wenn man es nicht selbst gesehen hat". Verstöße, deren Ausmaße offenbar mitunter so krass sind, dass das Bundesverkehrsministerium nun eine drastische Verschärfung des bestehenden Bußgeldkatalogs "durchpauken" will. Und das möglichst schnell. Am 21. Mai wird im Kabinett über den neuen Strafenkatalog aus dem Hause Tiefensee gesprochen, danach soll der Bundesrat sein Plazet geben und ab 2009 könnte es richtig teuer werden für die Uneinsichtigen auf den Straßen. Mehr als das Doppelte sollen Raser, Drängler, Alkohol- und Drogensünder in Zukunft zhalen. "Weil wir diejenigen, die maßvoll und rücksichtsvoll fahren, vor den Uneinsichtigen schützen müssen", wie der Bundesverkehrsminister sein Vorgehen begründet. "Abschreckung funktioniert leider nicht"

Doch wie immer, wenn Vater Staat die Hand aufhält, mehrt sich neben der Anzahl der Hosianna-Rufer auch die der Zweifler und Skeptiker. "Im Bereich des Alkoholismus und Drogenkonsums handelt es sich um Krankheitsbilder, die nicht mit höheren Geldstrafen behoben werden können. Bei hohen Promillewerten und Drogenkonsumenten, die permanent im legalen Grenzbereich leben, funktioniert die Abschreckung durch Strafandrohung leider nicht", argumentiert der Automobilclub von Deutschland (AvD). Dagegen steht der ADAC der geplanten Novelle positiv gegenüber. Zwar führe die Höhe der Bußgelder allein nicht zu größerer Verkehrssicherheit, doch müssten Verkehrsteilnehmer, deren Verhalten Leib und Leben Anderer gefährde, "durch höhere Bußgelder zum Umdenken angeregt werden." Jede Maßnahme, die der Verkehrssicherheit diene, begrüße seine Organisation, sagt Hans-Georg Marmit, Sprecher der bundesweiten Sachverständigen-Organisation KÜS mit Sitz in Losheim/Saar. Allerdings müssten "Kontrollen gezielt an Unfallschwerpunkten vorgenommen werden, um den Verdacht einer Abzocke erst gar nicht aufkommen zu lassen". Widerstand gegen das Tiefensee-Projekt kommt dagegen aus den Reihen der Opposition, die behauptet, die Pläne ließen "jedes Gespür für die soziale Wirklichkeit in Deutschland vermissen". Eine Verdoppelung vieler Bußgelder treffe vor allem Geringverdiener unangemessen hart, moniert FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), dessen Trierer Vorsitzender Christian Weber ist, sieht die geplante Erhöhung der Bußgelder als einen "wichtigen Schritt, um diejenigen zur Vernunft zu bringen, die zu schnell, zu gefährlich oder unter Alkohol- und Drogeneinfluss fahren". Auch nach einer eventuellen drastischen Erhöhung der Bußgelder, so VCD-Sprecher Daniel Kluge, liege man noch "am unteren Rand des europäischen Strafmaßes".Ob Gegner oder Befürworter: Eine Fahrt mit Polizei-Kommissar Albert Port mit einem Pro-Vida-Fahrzeug würde allen Verkehrsteilnehmern die Sinne und Argumente für die Notwendigkeit der Diskussion über dieses Thema schärfen. Extra Statistik: 5070 Menschen, so das Statistische Bundesamt, starben 2007auf deutschen Straßen. Das seien fast genau so viel wie im Jahr zuvor (5091). Im Bereich des Polizeipräsidiums Trier ist die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden im 2007 mit 2595 gegenüber 2567 im Jahr zuvor zwar leicht gestiegen, die Zahl der dabei Getöteten ging jedoch von 65 (2005) über 58 (2006) auf 49 im vergangenen Jahr zurück.

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