Grenzenlose Wut im Regen

TRIER. Weg mit dem Arzneimittelsparpaket, weniger Bürokratie: Das fordern derzeit die niedergelassenen Ärzte. Gestern gingen 250 von ihnen in Trier auf die Straße.

 Stehen im Regen: demonstrierende Ärztinnen am Freitag in Trier. Foto: Bernd Wientjes

Stehen im Regen: demonstrierende Ärztinnen am Freitag in Trier. Foto: Bernd Wientjes

Das Wetter sei doch symbolisch. Statt immer nur auf die Ärzte zu schimpfen, solle der Volksfreund auch mal schreiben, die Ärzte stünden buchstäblich im Regen, ereiferte sich ein Arzt auf dem Trierer Hauptmarkt. 250 Ärzte und Arzthelferinnen protestieren an diesem nasskalten Frühlingstag - bei strömenden Regen. Sie sind sauer, dass sie ständig als geldgierige Abzocker bezeichnet würden, sauer, dass die Politik keine Gesprächsbereitschaft signalisiere. Etwas mehr als eine Stunde halten sie es bei Temperaturen knapp unter zehn Grad aus, dann rollen sie ihre Transparente ein und packen die Megaphone weg. Während ihre Kollegen in Berlin gerade erst losziehen. 30 000 Mediziner und Arzthelferinnen, darunter 50 aus der Region, ziehen durch die Hauptstadt. "Grenzenlose Wut" und "Kollektive Vera...ung" sind die Parolen, die die überwiegend in weißen Kitteln erschienenen Ärzte in Trier hochhalten. "Erst stirbt die Praxis, dann der Patient" lautet eine andere. Man wolle vor allem die Patienten darauf aufmerksam machen, was auf sie zukommt, sagt Harald Reusch, Allgemeinmediziner aus Trier. Vor allem die umstrittene Bonus-Malus-Regelung ist den Medizinern ein Dorn im Auge. Geht es nach Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sollen die Ärzte bestraft werden, wenn sie festgelegte Sätze bei der Verschreibung von Medikamenten überschreiten, bleiben sie drunter, werden sie belohnt. "Das ist doch unmoralisch", sagt Reusch. Stattdessen müsse es eine Positivliste geben, also eine Auflistung von Medikamenten, die ein Arzt noch verschreiben dürfe. Dadurch, so glauben die Mediziner, würden die Therapiefreiheit nicht eingeschränkt und das Vertrauen der Patienten nicht gefährdet. Vielen Patienten dürfte noch nicht klar sein, dass das Arzneimittelsparpaket, das vom Bundesrat erst einmal gestoppt wurde, Auswirkungen auf sie haben wird, weil dann nicht mehr alle Medikamente verschrieben werden dürfen. Trotzdem lehnt der überwiegende Teil von ihnen die Neuregelung ab und steht auf der Seite der Ärzte. 64 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik lehnen nach einer Emnid-Umfrage das Arzneimittelsparpaket ab, und 93 Prozent wollen, dass ihr Arzt weiterhin die für die Patienten am besten geeignete Therapie verordnen kann. Doch nicht alle Passanten können den Protest verstehen. Ärzte sollten schon nach Leistung bezahlt werden. Aber sie verstehe nicht, warum Ärzte, die "drei, vier Häuser haben", noch für mehr Geld auf die Straße gehen, ärgert sich eine Frau aus Konz. Genau mit dem Image des Porsche fahrenden und im Geld schwimmenden Arztes wollen die Mediziner an diesem Vormittag aufräumen: "Die Leute glauben immer, wir verdienen uns blöd", ärgert sich Christina Manns, Ärztin aus Trier. Allerdings machten es ihnen die Klinikärzte nicht leicht. Dass sie mit der Forderung nach 30 Prozent mehr Gehalt und nicht in erster Linie für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gingen, sei taktisch unklug, sagen einige in Trier. Gutes Geld für gute Arbeit

Viele Passanten glauben daher, es handele sich um einen Streik der Krankenhausärzte. Trotzdem unterschreiben sie am Infostand mit der fünf Meter langen Wäscheleine. Als Zeichen für die zunehmende Bürokratisierung hängen an ihr 30, 40 Formulare, die ein niedergelassener Arzt ausfüllen muss. "Die sollen für ihre gute Arbeit auch gutes Geld bekommen", sagt Rosemarie Dostert aus Trier. Und diese Arbeit soll nach Ansicht der Ärzte auch leistungsgerecht bezahlt werden, direkt von den Patienten: "Leistung sollen in Euro bezahlt werden. Die Patienten müssen sich dann das Geld von den Kassen zurückholen", sagt Reusch. Dann würden sie sehen, dass sich Ärzte keine goldene Nase verdienen. Die Proteste sollen weiter gehen. Von wochenlangen Praxisschließungen oder einem Streik während der Fußball-WM halten die Ärzte auf dem Trierer Hauptmarkt nichts. Man werde die Verwaltung bestreiken, Formulare und Kassenanträge nicht mehr ausfüllen, heißt es. Für heute haben sie lange genug im Regen gestanden. Über eine Stunde Protest muss reichen.

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