Große Anspannung unterm Tannenbaum

Der Ernstfall tritt ein. Deutsche Soldaten gehen im Golf von Aden auf Piratenjagd. Die Stimmung an Ort und Stelle beschreibt unser Korrespondent Werner Kolhoff.

Djibouti. Der Geruch von Dromedaren, die nebenan auf Schiffe für Saudi-Arabien verladen werden, zieht über das Hubschrauberdeck der "Mecklenburg-Vorpommern". Er vermischt sich mit dem von deutscher Bratwurst. Ein Tannenbaum leuchtet in die Nacht von Djibouti, und aus den Lautsprechern klingt "Ein Bett im Kornfeld". Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat die deutsche Marine gestern im Golf von Aden auf Piratenjagd geschickt. Die Soldaten genießen den letzten freien Abend und die zwei Fässer Bier, die Jung aus Deutschland mitgebracht hat.

An der "Mecklenburg-Vorpommern" ist die Fregatte "Karlsruhe" vertäut, auf der an diesem vorweihnachtlichen Abend schon alles für das Auslaufen am nächsten Morgen vorbereitet wird. Sie hat den Auftrag zur Piratenjagd, die "Mecklenburg-Vorpommern" ist hier im Rahmen des internationalen Anti-Terror-Einsatzes. Vier Soldaten haben sich an der Reling mit schweren Maschinengewehren in Stellung gebracht und blicken konzentriert auf die schwarze See vor ihnen, um die Festgesellschaft zu bewachen. "Wir fahren mit einem angespannten, aber selbstbewussten Gefühl raus", sagt Fregattenkapitän Ralf Kuchler, der Erste Offizier der "Karlsruhe". Das Rasdeck mittschiffs, wo sonst der Treibstoff geladen wird, ist freigeräumt. Hier sollen gefangene Piraten festgehalten werden, ehe man sie an Land der Bundespolizei übergibt. Es gibt ein Sonnensegel, Toiletten und Duschen für die Gefangenen.

Die Verfolgung und Festnahme von Piraten ist neu an dem Auftrag, den der Bundestag vorige Woche beschlossen hat. Den Unterschied zu der vorher geltenden Befugnis, bloß Nothilfe leisten zu dürfen, haben Kuchler und seine Männer schon auf der Herfahrt kennengelernt. Da funkte der Frachter "Trafalgar" SOS. Piratenüberfall. Sechs bis acht Speed-Boote preschten auf das Schiff zu, erfuhr Kuchler am Funkgerät von dem völlig in Panik geratenen Kapitän. "Ich habe den eine Dreiviertelstunde lang beruhigt". Der Hubschrauber der "Karlsruhe" stieg auf. Als die Piraten ihn sahen, drehten sie bei und verlangsamten die Fahrt. "Die spielen dann toter Käfer, Fischerboot".

Kampfhandlungen sind nicht ausgeschlossen



Von denen sind die Schnellboote der Piraten nämlich nicht zu unterscheiden, außer an den stärkeren Außenbordmotoren. Die "Karlsruhe" hielt die sogenannten Fischerboote in Schach, bis sich die "Trafalgar" zwei anderen Frachtschiffen angeschlossen hatte und davongefahren war. Dann fuhr auch das Kriegsschiff weiter. Die Piraten konnten seelenruhig auf das nächste Schiff warten. Festnehmen durften die Deutschen sie nicht.

Das ist jetzt anders, und damit wird es gefährlich. Kampfhandlungen sind nicht ausgeschlossen, und dann ist das auch, sagt Jung, "ein Kampfeinsatz". Sturmgewehre und Granatwerfer sind die Standardausrüstung der Seeräuber. Das kann die 130 Meter lange "Karlsruhe" zwar nicht ernsthaft beschädigen, wohl aber die Menschen an Bord. Wenn Piraten-Alarm ist, darf sich kein Matrose mehr draußen aufhalten. Auf der Brücke hängt ein Zettel, auf dem genau steht, wie verdächtige Schiffe angerufen werden: Bei der ersten Warnung werden sie darauf hingewiesen, dass sie dabei sind, sich in den Sicherheitsbereiches eines deutschen Kriegsschiffes zu bewegen, und abdrehen sollen. In Stufe zwei werden sie aufgefordert, sofort umzukehren. Und in Stufe drei heißt es dann: "Wir werden jetzt in Selbstverteidigung handeln und eröffnen das Feuer."

Die Erinnerung an den Fehler der indischen Marine, die unschuldige Fischer versenkte, fährt mit auf der "Karlsruhe". Andererseits findet Kuchler, dass die Piraten gleich mit Beginn des EU-Einsatzes merken müssen, "dass wir nicht hier sind, um neben ihnen her zu fahren und zuzugucken".

Dass das Land hinter ihnen stehe, ist die wichtigste Botschaft, die der Minister den Soldaten mitgebracht hat. So kurz vor Heiligabend sei sein Wunsch, dass der Einsatz auch ein bisschen von der Weihnachtsbotschaft in die Welt trage möge. Den Wunsch nach Frieden.

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