Große Wahlerfolge - große Probleme

Diese Bilanz erstaunt auch die größten Optimisten bei den Linken: Nach den jüngsten Wahlerfolgen in Bremen, Niedersachsen, Hessen und Hamburg sitzt die Partei nun schon in zehn von 16 deutschen Landtagen.

Berlin. (vet) In die Bundesversammlung, die 2009 den Bundespräsidenten wählt, kann sie mehr Vertreter entsenden als die Grünen. Und in acht Bundesländern sind die Linken sogar stärker als die FDP. Kein Wunder, dass Partei-Strategen bereits an das Undenkbare denken: Selbst die "schwarze" Hochburg Bayern sei nicht mehr unbezwingbar. "Bei den Landtagswahlen Ende September gibt es ernsthaft Chancen für uns", glaubt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Seine Euphorie kann allerdings nicht über die Kehrseite der ungeahnten Sieges-Serie hinwegtäuschen. Was fängt die Linke mit ihrer neuen Stärke an? Gerade in den Altbundesländern ist sie eine unsortierte Truppe. Das hat sich 2007 schon in Bremen gezeigt. Dort waren die linken Parlamentarier lange Zeit mit sich selbst beschäftigt, weil ein liebestolles Fraktionsmitglied über die Stränge schlug und einer Kollegin nachstellte. Inzwischen haben die Ost-Linken einen professionellen Aufbauhelfer an die Weser entsandt, um ihre norddeutschen Genossen in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Mit der personellen Unterstützung allein ist es allerdings nicht getan. Nach Einschätzung von Andre Brie, Linksabgeordneter im Europa-Parlament und Vordenker seiner Partei, krankt der Aufbau West an einem grundsätzlichen Problem: "Die Arbeit in den dortigen Landesverbänden ist zum Teil defizitär, weil wir die inhaltlichen Klärungsprozesse bisher nicht geführt haben". Deshalb seien einige Landtagsfraktionen auch sehr heterogen zusammengesetzt, was in der Parlamentsarbeit sicher noch Konflikte hervorrufen werde, prophezeit Brie. Nun ist es zweifellos so, dass die Linken schon durch ihre bloße Fusion aus Ost-PDS und West-WASG die Republik verändert haben. Ohne ihre Präsenz im Bundestag wäre die SPD kaum auf den Mindestlohn verfallen, und auch die CDU hätte wohl niemals einer Abmilderung der "Zwangsverrentung" für Langzeitarbeitslose zugestimmt. Am Selbstverständnis als Oppositionspartei scheiden sich jedoch die Geister in der Linkspartei. "Wir sind nicht in der Situation, wo wir Koalitionsverhandlungen führen, also müssen wir uns auch nicht bewegen", betont Vorstandsmitglied Ulrich Maurer. Brie befürchtet indes, dass sich die Linken mit dieser Einstellung auf lange Sicht die Machtoption verbauen. Einerseits sei die Oppositionsrolle komfortabel. "Andererseits behindert sie die inhaltlichen Klärungsprozesse, weil sie nicht so dringend notwendig erscheinen", so Brie.

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