Grünen-Parteitag: "Ja" mit Zähneknirschen

COTTBUS. Die Grünen haben die umstrittene Reform-Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder gebilligt. Der Sonderparteitag in Cottbus stimmte mit großer Mehrheit einem entsprechenden Leitantrag des Bundesvorstands zu.

Joschka Fischer kann das Ergebnis kaum fassen. "Wir haben 95 Prozent, ich habe es von oben gesehen", sprudelt es aus dem heimlichen Ober-Grünen heraus. Die SPD kam bei ihrer Zustimmung zur "Agenda 2010" auf einem Sonderparteitag zwei Wochen zuvor "nur" auf 90 Prozent. Der kleine Koalitionspartner hat also noch eins drauf gesetzt. Allein diese Botschaft, das ist dem Vizekanzler anzumerken, ist schon von hoher Symbolkraft. Und doch verstellt sie etwas den Blick auf das zweitägige Treffen der Ökopartei in Cottbus. Denn zeitweilig musste die Parteitagsregie alle Register ziehen, um die grüne Basis bei der Agenda-Stange zu halten. Beinahe zwölf Stunden lang hatten sich die rund 800 Delegierten über soziale Einschnitte wie die zeitliche Verkürzung des Arbeitslosengeldes oder die Ausgrenzung des Krankengeldes aus der paritätischen Finanzierung die Köpfe heiß geredet. Rund 140 Änderungsanträge standen dabei zur Diskussion. Da wurde manche Abstimmung zur Zitterpartie. Denn die Gegner der Agenda konnten mit aller Leidenschaft an das soziale Gewissen ihrer Partei zu appellieren. "Bluten wofür?", rief ein Delegierter unter starkem Beifall. "Wir dürfen die Krise nicht auf Kosten der Schwachen lösen", mahnte der Chef des Kreisverbands Münster, Wilhelm Achelpöhler. Von ihm war die Initiative zum Sonderparteitag ausgegangen. Die Agenda bringe keine einzigen Arbeitsplatz, schimpfte der ostdeutsche Bundestagsabgeordnete Werner Schulz. "Denke ich an die Grünen, denke ich an Sozialabbau", stöhnte ein anderer Parteigänger. Die Befürworter zogen sich dagegen zumeist auf staatstragende Argumente zurück: "Wir diskutieren hier unser Regierungs-Handeln", donnerte Joschka Fischer. Die entscheidende Frage sei doch, ob man die Sanierung des Sozialstaats "den Rechten" überlassen wolle. Diese Grundmelodie wurde gleich dutzendfach variiert. Die Grünen müssten "schmerzhafte Einschnitte mittragen", pflichtete etwa Landwirtschaftsstaatssekretär Matthias Berninger dem Vize-Kanzler bei. "Die Alternative ist, dass andere weiter machen." Mit solchen Totschlag-Argumenten ließen sich zwar nicht die Herzen der Delegierten gewinnen, aber letztlich doch zähneknirschend ihre Stimmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort