Gute Laune als Programm

Berlin . Neulich holte Klaus Wowereit einen Fußball hinter seinem Schreibtisch hervor. Franz Beckenbauer hatte darauf unterschrieben, "der Herr Kaiser", scherzte der Regierende Bürgermeister von Berlin.

Es war der Tag des großen WM-Spiels Deutschland gegen Argentinien, und am Abend wollte sich Wowereit auf der Ehrentribüne des Olympiastadions noch die Unterschrift von Diego Maradona holen. In einem T-Shirt mit der Aufschrift: "Ich bin ein Fan von Dir". Typisch Wowereit. Locker und selbstbewusst ging es zur WM im Roten Rathaus zu, locker und beschwingt ist Wowereit immer noch. Mit der WM ist die Politik für den SPD-Politiker zur Nebensache geworden. Jetzt ist sein Hauptziel, die gute Laune in der Stadt zu konservieren. Denn am 17. September wird in Berlin gewählt. Es läuft wie geschmiert für den 52-Jährigen. Während "Wowi" vor einigen Wochen also noch Autogramme sammelte, schreibt er sie jetzt unermüdlich. Der Bürgermeister ist allgegenwärtig - keine Parade und kein Fest ohne den "Regierenden Partymeister", wie er einst verspottet wurde. Nach der WM und der Love Parade gab ihm der Christopher Street Day, die Parade der Schwulen und Lesben, die Gelegenheit, sich ausgelassen zu präsentieren. Die Berliner mögen diese weltstädtische Attitüde. Zumal die halbe Stadt immer noch beschwingt ist von dem phantastischen Fußball-Ereignis, vom Wetter und von den ständigen Partys, die an allen Ecken und Enden gefeiert werden. Derzeit fragt deshalb kaum einer nach der wachsenden Gewalt an den Schulen, nach Kriminalität, Arbeitslosigkeit und gescheiterter Integration von Ausländern. Oder nach Verschuldung und Verschwendung. Schon gar nicht Wowereit, der erstens nie eine besondere Leidenschaft für Sachthemen hatte - und zweitens schon gar nicht für die Haushaltspolitik. Da ist es nur gut so, dass das Bundesverfassungsgericht erst nach der Abgeordnetenhauswahl über die erhoffte Schuldenhilfe des Bundes entscheidet. Berliner brauchen das gute Gefühl

All diesen Problemen setzt Wowereit seine gute Laune und seine Omnipräsenz entgegen: "Berlin ist eine Metropole mit guten Zukunftschancen", lobhudelt er lieber. Welche das sind, lässt er gerne offen. Die Berliner SPD, das ist Wowereit; und er muss all die Schattengewächse im Senat wie den Bildungssenator Klaus Böger oder den ungeliebten Finanzsenator Thilo Sarrazin überstrahlen. Das gelingt ihm problemlos. Aber spätestens mit Beginn des neuen Schuljahres muss Wowereit damit beginnen zu erklären, wie unter seiner Führung beispielsweise die künftige Schulpolitik aussehen soll. Ein sehr emotionsgeladenes Thema in der Hauptstadt. Oder wie er die kulturellen Klüfte zwischen Deutschen und Ausländern, aber auch zwischen Ost und West schließen will. Um die Berliner nach der fröhlichen WM erst einmal bei guter Stimmung zu halten, zauberte Wowereit erneut das Thema Olympische Spiele in der Hauptstadt aus dem Hut. Seitdem fühlt man sich an der Spree bereits als Sieger, vor allem aber als Weltstadt. Die Berliner brauchen das gute Gefühl wie kaum andere. Und Wowereit gibt es ihnen. Da kann die blasse Berliner CDU nicht mithalten. Die Erkenntnis ist inzwischen da, dass wohl auch mit Friedbert Pflüger, Spitzenkandidat und Staatsekretär im Verteidigungsministerium, kein Blumentopf zu gewinnen ist. Die Umfragewerte Pflügers sinken weiter, die Wowereits steigen. Also tut die Union das, was sie immer gerne getan hat in Berlin - sie beschäftigt sich wieder verstärkt mit sich selbst. Wie meinte Pflüger noch am Wochenende: "Das ist nicht gut so, das ist nicht schlecht so, das ist so." Gemeint war allerdings die Homosexualität Wowereits.

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