"Hauptsache, die NPD-Demo wird verhindert"

Berlin. Bundespräsident Horst Köhler hat sich am Sonntag im Berliner Reichstag beim Gedenken an den 60. Jahrestag des Kriegsendes nachdrücklich gegen einen Schlussstrich unter die von Deutschland während der Nazi-Zeit begangenen Verbrechen gewandt.

Pünktlich zum Beginn der zentralen Gedenkstunde im Reichstag ist auch das Brandenburger Tor wieder in Sonnenschein getaucht. Tausende Menschen verfolgen hier die Rede von Bundespräsident Horst Köhler auf Großbildschirmen mit. Der Berliner Senat und ein breites Bündnis von Parteien, Verbänden und Kirchen haben am Symbol der deutschen Einheit zum "Tag der Demokratie" eingeladen. Dieser 8. Mai, an dem vor 60 Jahren die Nazidiktatur ihr offizielles Ende fand, soll nicht nur der Politik überlassen werden - und der rechtsextremen NPD schon gar nicht. Eben darum geht es. Und deshalb trotzen die Besucher auch gelegentlichen Regenschauern und Windböen. Niemand will sich die Volksfeststimmung am Brandenburger Tor verderben lassen. Sicher, eine komplette Lichterkette quer durch die Hauptstadt, die an das Ende des Zweiten Weltkrieges erinnern sollte, war offenbar an den widrigen Witterungsumständen gescheitert. Nur etwa 25 000 Teilnehmer hatten sich am Vorabend des 8. Mai mit ihren Kerzen zu dieser Aktion versammelt. Im Jahr 2003 brachte Berlin eine Lichterkette mit rund 110 000 Menschen zu Stande. Anlass war damals der Protest gegen den Irak-Krieg. Dass es diesmal nicht klappte, ist für Torsten aus Leipzig aber kein Beinbruch: "Hauptsache, die Nazi-Demo wird verhindert", sagt der junge Mann, der in seiner Hand ein Plakat mit der Aufschrift "Stoppt die NPD" hält. Unter dem provokativen Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" wollten eigentlich die Rechtsextremen um diese Zeit vor dem Brandenburger demonstrieren. Noch bis zum vergangenen Freitag hatte der Fall die Gerichte beschäftigt. Doch dann stand fest, dass die Marschroute der NPD allenfalls vom Alexanderplatz bis in die Friedrichstraße führen dürfe. Die Einkaufsmeile im ehemaligen Ostteil der Hauptstadt liegt etwa einen Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt. So bekommen die Besucher dort auch nicht mit, dass die Strecke zwischen Friedrichstraße und "Alex" einer Festung gleicht. Einsatzfahrzeuge der Polizei und des Bundesgrenzschutzes säumen die Straßen. Mindestens 6000 Ordnungshüter sind im Einsatz, um die NPD-Anhänger von linken Gegendemonstranten zu trennen und gewalttätige Ausschreitungen zu verhindern. Schon am frühen Sonntagmorgen leuchtet an den Haltestellen am "Alex" die Anzeige "Wegen polizeilicher Sperrmaßnahmen kein Straßenbahnverkehr". Auch das S- und U-Bahngebäude ist hermetisch abgeriegelt. An der S-Bahnbrücke fahren Wasserwerfer auf. Wer zur NPD-Demonstration will, wird von der Polizei zu Zelten geleitet, in denen die Teilnehmer akribisch auf Waffen und verfassungsfeindliche Symbole untersucht werden. Bis zum Mittag schleusen die Einsatzkräfte auf diese Weise rund 1000 NPD-Anhänger in ein weiträumig abgesperrtes Areal am Fernsehturm. Schwarz-weiß-rote Fahnen mit dem "Eisernen Kreuz" und dem NPD-Logo sind dort zu sehen. Am Rande rollt ein roter Lautsprecherwagen mit der Aufschrift "Wir sind das Volk". Das Fahrzeug der NPD wird auch von der Kamera eines japanischen Fernsehteams eingefangen. Davor steht der Parteivorsitzende Udo Vogt und zeigt sich gegenüber der Journalistin aus Nippon empört, dass die "Wegerechte" für seine Truppe eingeschränkt wurden. Abgesehen von den Fernsehbildern muss die NPD Schmach und Trauer unter sich austragen. Denn bis zum Nachmittag versammeln sich immer mehr linke Demonstranten in den umliegenden Straßen. Durch die geballte Übermacht wird verhindert, dass die inzwischen auf knapp 3000 angewachsenen NPD-Aktivisten überhaupt losmarschieren können. Damit bleiben die gefürchteten Massenkrawalle aus.

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