Haushaltsdebatte als Familientreffen

DAUN. Jeder noch so winzige Ort hat einen Bürgermeister und einen Gemeinderat - auch die genau zehn Einwohner zählende Mini-Gemeinde Dierfeld. Ist diese aufwendige Basisdemokratie wirklich notwendig? Die Bürgermeister berufen sich auf die Selbstständigkeit ihrer Orte.

Schulden? Keine. Arbeitslosigkeit? Fehlanzeige. Die Mitglieder des Rats der Gemeinde Dierfeld in der Verbandsgemeinde Manderscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich) bewegen andere Themen, wenn sie sich zur Sitzung am Kaminfeuer treffen. Alles läuft bei einem solchen Treffen gemäß der Gemeindeordnung ab, und doch ist es eine familiäre Atmosphäre, die die Sitzung prägt. Kein Wunder: Ortsbürgermeister ist Gerhard von Greve-Dierfeld, Beigeordnete ist seine Frau Regina von Greve-Dierfeld, drei der fünf Kinder bilden den Rechnungsprüfungsausschuss. So viel Basisdemokratie wie auf dem Gutshof bei Wallscheid, der die kleinste eigenständige Gemeinde in Rheinland-Pfalz ist, gibt es wohl selten: Acht der zehn Einwohner von Dierfeld sitzen im Gemeinderat. Wer glaubt, Dierfeld mit seiner Handvoll Einwohnern stehe einsam da, liegt falsch. Allein im Kreis Bitburg-Prüm mit seinen insgesamt 235 Ortsgemeinden gibt es vier Orte mit weniger als 20 Einwohnern. 26 Dörfer haben zwischen 20 und 50 Einwohner, weitere 44 zwischen 50 und 100, und nochmal 44 zwischen 100 und 200. Was beweist, dass es in sehr vielen Gemeinden, vor allem in der Eifel, "rekordverdächtige Verhältnisse" zwischen Einwohnerzahl und Ratsmitgliedern gibt. Nach der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung haben Orte mit bis zu 300 Einwohnern sechs Ratsmitglieder, hinzu kommt der Bürgermeister und gegebenenfalls noch ein oder mehrere Beigeordnete. Während manche Kommunalpolitiker diese Kleinteiligkeit als wesentlichen Bestandteil der Demokratie würdigen, halten die Kritiker entgegen: Muss wirklich jedes noch so kleine Dorf einen eigenen Bürgermeister und eigenen Rat haben? Rudi Weiler, Ortsbürgermeister von Nitz, mit rund 50 Einwohnern eine der kleinsten Gemeinden im Kreis Daun, schwört auf die Selbstständigkeit. "Wenn etwas anliegt, können wir schnell entscheiden und müssen nicht erst andere fragen", ist die Erfahrung des 65-Jährigen, der seit 1994 an der Spitze des Orts in der VG Kelberg steht. Probleme, den Rat zu besetzen habe es nie gegeben, und die Einwohner schätzten den Bürgermeister als ersten Ansprechpartner für große und kleine Angelegenheiten. Außerdem sei es nicht so einfach, jemanden zu finden, der Nitz eingemeinden würde: "Wir sind eine arme Gemeinde, und rundherum liegen reiche Orte wie Drees und Kirsbach. Die wollen uns doch gar nicht", berichtet Weiler. Dass mit der Zusammenfassung kleiner Gemeinden Geld gespart werden könnte, bezweifelt Karl Häfner (CDU), Bürgermeister der VG Kelberg. So erhalten bis auf vier Gemeinden in der VG Kelberg (8165 Einwohner, 33 Ortsgemeinden) die Gemeinderäte keine Aufwandsentschädigungen oder Sitzungsgelder. Auch der Personaleinsatz der VG bei Sitzungen in den Dörfern ist überschaubar. VG-Mitarbeiter seien bei Sitzungen in den kleineren Dörfern nur ausnahmsweise und nur bei Bedarf dabei, berichtet Häfner. Sein Fazit: "Das letzte, was die Bürger, gerade in den Ortsgemeinden, aufgeben wollen, ist der eigenständige Gemeinderat. Sie müssten letztlich Kompetenzen in eigenen Angelegenheiten auf-, beziehungsweise abgeben und würden dann von einem anonymen Gemeinderat bestimmt und verwaltet." Eric Schäfer, Sprecher des Mainzer Innenministeriums, ist ein Befürworter der kleinen Gemeinden. "Gerade bei Betrachtung der Kleinstgemeinden muss berücksichtigt werden, dass durch die Verantwortlichkeit vor Ort in ehrenamtlicher Arbeit Geld eingespart wird und die Bürger sich effektiver und aktiver in die Gestaltung ihres Lebensumfelds einbringen", erklärt er. Unabhängig davon habe die Landesregierung wiederholt erklärt, dass sie freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden positiv gegenüber stehe. Zudem plädiere das Land seit längerem dafür, stärker von den Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit Gebrauch zu machen. Dabei ergäben sich etwa bei der gemeinsamen Beschaffung von Feuerwehrausstattung und dem Bau von Feuerwehrhäusern, dem gemeinsamen Betreiben von Bädern und Sportstätten, bei der gemeinsamen Beschaffung von Gütern und der Vorhaltung von Verwaltungsdienstleistungen erheblichere Kosteneinsparungen, als sie etwa durch die Auflösung von Kleinstgemeinden möglich wären. Morgen in der gemeinsamen Serie des TV und der Rhein-Zeitung: Warum ein Antrag auf Zuschüsse aus einem EU-Fördertopf sieben Jahre benötigte.

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