Heimspiel für die Linkspartei

BERLIN. Auch wenn Oskar Lafontaine krank im Bett liegt, beginnt für die Linkspartei der heiße Wahlkampf im Osten. Gregor Gysi ist der Pop-Star, die Ostdeutschen sind begeistert.

Die Hoffnung der deutschen Linken hat sich krank gemeldet. Schon bei einer Wahlkampfveranstaltung in Nürnberg am Tag zuvor war Oskar Lafontaine lediglich für zehn Minuten auf der Bühne. Am Wochenende wollte der Saarländer mit seinem Bündnisgenossen Gregor Gysi in Dresden die heiße Wahlkampfphase für Ostdeutschland einläuten. "Er kämpft leidenschaftlich und setzt seine Stimme ein - doch jetzt ist sie weg", entschuldigt Gysi den Ex-SPD-Chef.Die Trauer darüber hält sich bei den 2000 Zuhörern auf dem Schlossplatz der sächsischen Landeshauptstadt in Grenzen. "Schade, aber ich wäre auch ohne ihn gekommen", sagt ein älterer Herr. Eine jüngere Frau meint, der Lafontaine solle bleiben, wo er ist. "Ich brauche nicht so einen Schauspieler, der das nur zu Selbstdarstellung macht."

Als Gysi und Lafontaine am vergangenen Donnerstag in Frankfurt auftraten, da haftete der Kundgebung etwas Exotisches an. Wenn die in Linkspartei umgetaufte PDS dagegen im Osten ruft, herrscht heimelige Volksfestatmosphäre. Es gibt Bratwurst und Bier aus Plastikbechern. Manche tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Hartz IV anwenden für Politiker" oder "SPD - Kleine-Leute-Verräter". Selbst ein ermüdender "Polit-Talk" der örtlichen Linksparteikandidaten über das neoliberale Elend dieser Welt kann die Stimmung nicht trüben. Denn es gibt ja Bodo Ramelow, den wortgewandten Wahlkampfmanager von Gysi & Co., der Lafontaines Ausfall überbrückt. Der 49-jährige Ex-Gewerkschafter aus Niedersachsen lockert das fade Vorprogramm auf und brandmarkt die "soziale Kälte" im Land.

So gesehen ist es nützlich, dass im Publikum ein paar grüne Parteigänger stehen, die auf Plakaten den Widerspruch zwischen Wort und Tat der Linkspartei thematisieren. Im speziellen Fall hatte sich die örtliche PDS-Basis gegen eine Veräußerung aller kommunalen Wohnungen ausgesprochen. Aber die PDS im Dresdner Stadtrat stimmte für den Verkauf. Ramelow spürt, dass er an dieser Diskrepanz nicht vorbeikommt - und macht die Grünen als Schuldige aus. Die rot-grüne Bundesregierung habe nämlich keine kommunale Steuerreform hingekriegt, weshalb die Städte mit dem Verkauf von Wohnungen ihre Kassen füllen müssten. Da stimmt das Feindbild wieder, das Publikum klatscht zufrieden.

Dann endlich ist Gregor Gysi an der Reihe. Er nimmt Lafontaine erneut gegen den Vorwurf in Schutz, er führe ein Luxusleben. "Ein Linker muss nicht arm sein, ein Linker muss gegen Armut sein." Überhaupt sei sich Lafontaine treu geblieben, allein die SPD habe sich "entsozialdemokratisiert". Damit ist die Personalie Lafontaine abgehakt. Gysi weiß, es wird ein Heimspiel. So geht der PDS-Star auch eine Stunde lang in der Rolle des Rächers der Enterbten auf. Wenigstens "acht, neun, zehn Punkte" aus der DDR hätte man doch ins gemeinsame Deutschland hinüber retten können. "Recht hat er", ruft einer aus der Menge. "Drei Jahre lang hat der Osten im Bundestag kaum eine Rolle gespielt", donnert Gysi, und viele Zuhörer nicken heftig. Akribisch arbeitet er sich an den Grausamkeiten der Konkurrenz ab. Hartz IV: eine "unerträgliche Politik". Anhebung der Mehrwertsteuer: "geradezu abenteuerlich". Gysi verspricht mehr Arbeitslosengeld, höhere Löhne und Renten. Auch ein Mindestlohn von 1400 Euro brutto sei machbar. Betriebe, die ihn nicht zahlen könnten, bekämen "staatliche Zuschüsse", sagt Gysi. So einfach und sozial gerecht könnte die Welt sein. Wie die ganze Zeche bezahlt werden soll, bleibt freilich offen. Im Publikum stört sich daran niemand. Gysi wird gefeiert wie ein Pop-Star.

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