Hoffnung auf Abkehr vom Terror

TRIER. Das Ende Arafats und die israelischen Abzugspläne: Der Nahe Osten ist in Bewegung wie lange nicht mehr. Wie bewertet Israels Botschafter Shimon Stein die Entwicklungen? Das fragten wir ihn bei seinem Besuch diese Woche in Trier. Auf Einladung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik des Verteidigungsbezirkskommandos 42 und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion gab Stein im Kurfürstlichen Palais einen Überblick über die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Die Ära von Palästinenser-Chef Jassir Arafat geht zu Ende, und Israel hat die Räumung der jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen beschlossen. Werden wir gerade Zeugen eines Umbruchs, eineshistorischen Moments? Stein: Die Entscheidung über den einseitigen Rückzug ist zweifelsohne eine historische Entscheidung für die israelische Gesellschaft. Ob es zu einem Umbruch kommt, hängt von den Palästinensern ab - davon, ob sie den Rückzug als eine Chance sehen, sich vom Terror abwenden und die erforderlichen Reformen einleiten. Mit Arafats Gesundheitszustand befassen wir uns momentan nicht. Wir betrachten Arafat nicht als Partner. Aber Sie haben doch bestimmt Pläne für die Zeit nach Arafat in der Schublade! Stein: Die Nachfolge Arafats ist eine palästinensische Entscheidung. Die Israelis sollen sich hier nicht einmischen. Unabhängig von Arafats Zustand haben wir und die Amerikaner unsere Hoffnung auf eine palästinensische Führung gesetzt, die sich vom Terror abwendet und bereit ist, Meinungsunterschiede auf dem politischen Weg zu lösen. Wenn Extremisten wie die der Hamas die Oberhand gewinnen sollten, sagt uns das, dass die Palästinenser an einer politischen Lösung nicht interessiert sind. Dann werden wir uns weiter auf unsere nationalen Interessen konzentrieren. Wenn die Palästinenser den Weg des Terrors weitergehen, werden wir alles tun, um dagegen anzukämpfen. Sie betonen immer wieder, dass der Abzug aus dem Gaza-Streifen ein einseitiger Rückzug sei, der dem nationalen Interesse Israels diene. Es gibt Vorwürfe, Israel vertue mit diesem einseitigen Schritt die Chance, auf dem Verhandlungsweg zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu kommen. Stein: Der einseitige Rückzug - der vollzogen wird, falls er nicht von Terror begleitet wird - ist, wie alle einseitigen Maßnahmen, nicht ideal. Aber er ist nicht von uns gewählt. Er ist Ergebnis der traurigen Tatsache, dass wir im Moment keinen Partner haben, mit dem wir verhandeln können - über die Roadmap und anschließend über die Realisierung eines palästinensischen Staats neben Israel. Was versprechen Sie sich von Israels einseitigem Vorgehen? Stein: Wir hoffen, dass mit dem Rückzug eine positive Dynamik entsteht, ohne Terror und mit einer palästinensischen Führung, die bereit ist, politisch ihre Meinung kundzutun. Ministerpräsident Scharon hat in den letzten Monaten mehrfach betont, dass der einseitige Rückzug den Prozess nicht einfrieren soll, dass er weiter zur Roadmap und zur Zwei-Staaten-Lösung steht. Dass man jeden Schritt Israels mit Misstrauen begleitet, ist traurig. Was wäre denn die Alternative? Hätten wir uns nicht zurückgezogen, den Palästinensern keine Chance gegeben und weiter am Status quo festgehalten, würden wir auch kritisiert. Wir beweisen, dass wir zu einer politischen Lösung und zu Kompromissen bereit sind. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen: Viele Israelis kritisieren den Rückzug, weil sie in ihm den ersten Schritt zu einer kompletten Aufgabe jüdischer Siedlungen sehen. Ist diese innere Zerrissenheit Israels eine Gefahr für den Frieden? Stein: Jede demokratische Gesellschaft trägt Meinungsunterschiede aus. Ich halte es für vollkommen normal, dass es in einer so historischen Frage unterschiedliche Auffassungen gibt. Der Rückzug rührt an Glaubensfragen, an ideologische Fragen, auch an die ganz praktische Frage, ob wir mit diesem Rückzug Einfluss auf den Terror nehmen können. Aber nach Meinungsumfragen steht die Mehrheit der israelischen Bevölkerung hinter diesem Beschluss. Sie geben sich trotz aller Schwierigkeiten optimistisch, dass es irgendwann Frieden im Nahen Osten geben wird. Wie wird der Weg dorthin aussehen? Stein: Unsere Nachbarn, insbesondere die Palästinenser, müssen sich von Träumen verabschieden, von der Politik des Alles oder Nichts. Sie müssen sich auf einen territorialen Kompromiss zu bewegen. Die Frage, ob Israels Nachbarn bereit sind, sich mit der Legitimität eines jüdischen Staates abzufinden, ist immer noch nicht klar und unmissverständlich beantwortet. Dass diese Legitimität anerkannt wird, ist der Schlüssel zum von uns erhofften Frieden. S Mit Shimon Stein sprach TV-Redakteurin Inge Kreutz.

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