Hoffnungsvoller Beginn

BERLIN. Regierung und Union haben sich auf einen Zeitplan für eine Gesundheitsreform geeinigt. Die schnelle Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes ist erst einmal verschoben.

So viel Harmonie ist selten. "Jetzt müssen wir uns noch die Hand geben", schmunzelte Horst Seehofer (CSU). Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), ohnehin eine rheinische Frohnatur, kam der Bitte mit strahlendem Lächeln nach: "Auf gutes Gelingen." Knapp eineinhalb Stunden hatten die Fachpolitiker von Rot-Grün und Union gestern zusammen gesessen, um die Chancen für eine umfassende Gesundheitsreform auszuloten. Das Ergebnis stimmt hoffnungsvoll: Für die Erarbeitung eines gemeinsamen Gesetzentwurfs wurden Fallstricke beseitigt und konkrete Zeitvorgaben festgelegt. Bereits ab Sonntag wollen sich die beiden Verhandlungsdelegationen unter Leitung von Schmidt und Seehofer regelmäßig treffen. Bis Ende Juli sollen die "politischen Grundlagen" (Seehofer) für das gemeinsame Papier stehen. Ab August könnten die großen Linien ins Paragraphendeutsch übertragen werden. Anfang September würde der Gesetzentwurf dann im Bundestag behandelt. Im Monat darauf käme schließlich der Bundesrat zum Zuge. Und damit die Provinzen das schöne Reformwerk nicht auf den letzten Metern kaputt machen, werden je drei "schwarze" und "rote" Landesregierungen mit am Tisch sitzen. Mit dieser Verabredung hat die SPD praktisch ihre Vorstellung begraben, das Gesetz in Windes-Eile bis zum 8. Juli über die Hürden im Bundestag zu hieven. Die Union sicherte umgekehrt zu, das Gesetzgebungsverfahren beieinem Scheitern der Konsensgespräche nicht weiter zu behindern. So sehr man sich gestern gegenseitig für die Verhandlungsbereitschaft lobte, so verschlossen zeigten sich beide Seiten bei inhaltlichen Knackpunkten. Übereinstimmung besteht darin, den Beitragssatz von heute durchschnittlich 14,4 auf mindestens 13 Prozent abzusenken. Außerdem pocht das Seehofer-Lager auf einen spürbaren Abbau der Bürokratie. An den Wegen dahin scheiden sich jedoch die Geister. Rot-Grün will die Patienten durch erhöhte Zuzahlungen und eine Ausgrenzung diverser Leistungen belasten. Die Union setzt dagegen auf eine pauschale Zuzahlung für sämtliche medizinische Leistungen in Höhe von zehn Prozent. Ein solcher Ansatz kollidiert allerdings mit dem Bekenntnis zum Bürokratieabbau, weil die Feststellung des jeweiligen Eigenanteils einen enormen Verwaltungsaufwand erfordern dürfte. Gänzlich unvereinbar sind die Positionen bei dem von Ulla Schmidt geplanten Institut zur Vorgabe ärztlicher Behandlungsrichtlinien. Nach Ansicht der Union würde damit einer Staatsmedizin Tür und Tor geöffnet. Für die Regierungsparteien ist indes die Privatisierung des Zahnersatzes unannehmbar. Diesen Standpunkt vertritt bekanntlich auch Horst Seehofer, obwohl er das glatte Gegenteil für die Union verhandeln soll. Bei diesen vielschichtigen Details dürften die Verhandlungen dann auch kein Spaziergang werden.

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