INTERVIEW

TRIER. Wie geht es nach der Führungskrise in der SPD weiter mit den Koalitionsverhandlungen? Darüber sprachen wir mit dem Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun. Was passiert derzeit in der SPD? Wie erklären Sie sich das Polit-Chaos?

Jun: In der SPD hat sich Frust und Enttäuschung angestaut, weil die Entscheidungen weitest gehend von zwei Personen an der Spitze getroffen wurden: Von Gerhard Schröder und Franz Müntefering. Viele Gruppierungen haben sich da nicht mehr aufgehoben gefühlt und wollten nun ein Zeichen setzen. Man hatte aber nicht die Absicht, Müntefering zu stürzen, man wollte nur ein Zeichen setzen. Aber das ist kein Grund für einen Parteichef, einfach den Bettel hinzuschmeißen. Jun: Müntefering hat geahnt, dass die große Koalition in der SPD umstritten sein wird, und dass er ständig Belastungsproben ausgesetzt sein wird. Also hat er die Frage nach dem Generalsekretär daran geknüpft, die große Koalition damit innerparteilich zu verankern. Genau dafür sollte sein Wunschkandidat Wasserhoevel stehen. Deswegen war Münteferings Rücktritt nur folgerichtig. War Stoibers Rückzug aus Berlin auch folgerichtig? Was steckt dahinter? Jun: Stoiber weiß, dass Müntefering erheblich geschwächt ist, nur noch geringen innerparteilichen Rückhalt hat. Das macht die Sache für Stoiber zu unsicher, ob die große Koalition überhaupt zu Stande kommt und wenn, ob sie lange hält. Wenn die Koalition zerbricht, kann er von Bayern aus viel besser mitbestimmen. Wie stark kann die große Koalition unter diesen Voraussetzungen überhaupt sein? Jun: Das Ganze ist derzeit so instabil, dass alle Möglichkeiten, selbst die einer Neuwahl, wieder offen sind. Von den vier Hauptarchitekten sind bereits drei raus: Schröder, Stoiber und Müntefering ist stark geschwächt. Das größte Interesse am Zu-StandeBringen einer großen Koalition hat Angela Merkel. Bei ihr geht es ums politische Überleben. Kriegt sie die Koalition nicht hin, machen die derzeit sich noch zurückhaltenden Unions-Ministerpräsidenten ihre Ansprüche wieder geltend. Kommt es zur großen Koalition, wird sie jedenfalls sehr wackelig. Wie stark ist der designierte SPD-Chef Platzeck? Jun: Er hat zwei große Vorteile: Er steht für die Erneuerung, und er steht für die große Koalition, die er in Brandenburg seit Jahren führt. Sein Nachteil: Er hat keine Basis in der Partei, ist erst seit Kurzem Mitglied. Mit Uwe Jun sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

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