"Ich hau nicht in den Sack"

BERLIN. "Wir haben den Prozess gewonnen", freut sich Peter Struck über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Einberufungspraxis. Doch er weiß auch: Er könnte auf verlorenem Posten stehen.

Peter Struck ist sauer auf die Journalisten. Was er an Kommentaren lese, zeige, dass die Verfasser nicht gedient hätten, klagte der ungediente Bundesverteidigungsminister gestern. Und nicht nur sie bekamen ihr Fett weg. Der SPD-Politiker ging auch mit den Genossen ins Gericht. Es gäbe Mitglieder in seiner Partei, die den jüngsten Richterspruch zur Rechtmäßigkeit der Wehrpflicht nutzten, um ihre Abschaffung zu fordern. "Lächerlich", so der Minister. Peter Struck kämpft an allen Fronten, um den unpopulären Zwangsdienst zu erhalten. Für Marscherleichterung sollte eigentlich das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgericht sorgen, das die Einberufungspraxis bei der Truppe am Mittwoch für rechtens befand. "Wir haben den Prozess gewonnen", triumphierte der Minister. Und doch ahnt er, womöglich auf verlorenem Posten zu stehen. Nicht nur, weil es der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln ist, dass lediglich 13 Prozent aller jungen Männer eines Jahrgangs in die Kasernen einzurücken brauchen und die "gefühlte" Wehrgerechtigkeit praktisch gegen Null tendiert. Auch in der künftigen Streitkräftestruktur spielt der Staatsbürger in Uniform nur noch eine untergeordnete Rolle. Im Auftrag Strucks hatte der Generalinspekteur den Plan für eine Verkleinerung der Truppe auf 250 000 Mann so ausgetüftelt, dass die Wehrpflicht ohne größere Umstellungsprobleme entfallen könnte. Spätestens da wurde das Umdenken Strucks offensichtlich. Er selbst wehrt sich gegen diesen Eindruck. "Für mich gibt es keinen Kompromiss in der Frage der Wehrpflicht", schärfte er den Medienvertretern gestern ein. Als Drohung für einen möglichen Amtsverzicht möchte der 61-jährige seine Maxime aber nicht verstanden wissen. Im Gegenteil. "Wenn ich verliere, sage ich nicht, ich hau in den Sack, macht, was ihr wollt", sagte Struck. Und weiter: "Wenn die Partei etwas anderes beschließen sollte, werde ich das als große Herausforderung ansehen, das umzusetzen." Wahrlich ein Eiertanz, aber genau darum geht es. Am kommenden Mittwoch will sich der Verteidigungsminister mit SPD-Chef Franz Müntefering und Wehrexperten der Bundestagsfraktion treffen, um über die Zukunft der Wehrpflicht zu beraten. Mitte November wird ein SPD-Bundesparteitag darüber abstimmen. Die Vorbereitungen sollten eigentlich geräuschlos über die Bühne gehen. Doch SPD-Sicherheitspolitiker hatten bereits eine Kompromissidee in die Öffentlichkeit lanciert: Nach dänischem Vorbild bliebe die Wehrpflicht formal erhalten, aber der Bedarf würde praktisch durch Freiwillige gedeckt. Über die Indiskretion aus dem eigenen Lager ist die Fraktionsspitze nicht glücklich. Auch Struck zwingt die neue Lage zum Taktieren. Warum sollte sich der Wehrpflicht-Fan für einen Kompromiss erwärmen, wo die internen Gespräche darüber am Anfang stehen? "Ich halte nichts vom dänischen Modell oder von anderen Modellen. Nachher kommt noch einer auf die Idee zu sagen, dann machen wir mal das Modell von Papua Neu Guinea", spottete er. Nach dem Willen der SPD-Strategen soll der Beschluss zur Wehrform von einer breiten Parteitagsmehrheit getragen werden. Ein Kompromiss ist unvermeidlich.

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