"Ich war nie ein Spaßpolitiker"

MAINZ. Beim SPD-Bundesparteitag in Bochum wird Kurt Beck einmal mehr Rudolf Scharping beerben - als Stellvertreter von Gerhard Schröder. Über seinen Aufstieg spricht Kurt Beck im TV -Interview

Anstelle seines Vorgängers als Chef der Landtagsfraktion und später im Amt des Ministerpräsidenten, Rudolf Scharping, rückt der Pfälzer Kurt Beck wohl ohne Gegenkandidat kommende Woche in die fünfköpfige Stellvertreter-Riege von Parteichef Gerhard Schröder auf. Als einziger Landespolitiker in der Parteispitze will Beck vor allem die Interessen der Länder und Kommunen vertreten. Herr Ministerpräsident, ist Ihnen Rheinland-Pfalz zu klein, oder warum kandidieren Sie für den stellvertretenden Vorsitz der Bundes-SPD?Beck: Ich bin lieber in Rheinland-Pfalz als in Berlin - und fliege möglichst immer mit der nächsten Maschine heim, wenn ich zu Gesprächen nach Berlin muss. Aber es ist im rheinland-pfälzischen Interesse, eine wichtige bundespolitische Position zu übernehmen. Die Entscheidungen im Bund haben Auswirkungen auf die Länder und die Kommunen; hier gilt es, sich frühzeitig einzuschalten und Einfluss geltend zu machen. Bei der derzeitigen Lage der SPD ist es doch keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung, in die Parteispitze aufzurücken? Beck: Ich war ja nie so ein Spaßpolitiker. Andere, die es gern waren, haben ihr Spaßmobil längst in die Garage gestellt und schauen heute eher bedröppelt drein. Ich bin bereit, in einer schwierigen Zeit an der Spitze der deutschen Sozialdemokratie Verantwortung zu tragen. Meine Parteifreunde in Rheinland-Pfalz haben mich dazu aufgefordert, und ich nehme den Auftrag ernst. Welche Themen wollen Sie in der Führungsriege einbringen?Beck: Die Interessen der Länder und Kommunen in der Bundespolitik werde ich einbringen. Und das Verhältnis der SPD zu den Gewerkschaften liegt mir am Herzen. Ich bin ja als junger Arbeiter und Jugendvertreter im Betriebsrat in die Politik gekommen, diese Erfahrungen vergesse ich nicht. Die betriebliche Arbeitswelt kenne ich aus eigenem Erleben. Es ist auch besprochen, dass ich die Kontakte der SPD zu den Kirchen organisieren werde. Ich pflege bereits gute Gesprächsverbindungen zu Bischöfen und Präsides. Sie gelten als Moderator zwischen den Parteiflügeln. Liegt Ihnen diese Rolle?Beck: Ja, man sagt es. Ich glaube, die praktische Vernunft gebietet es, in der Politik Menschen zusammen zu führen, Ausgleich zu suchen und konträre Positionen aufzulösen. Oft sind die Meinungsunterscheide gar nicht so groß, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Mehrfach haben Sie als Chef einer SPD/FDP-Regierung Rot-Grün zu Mehrheiten verholfen. Sind Sie ein wandelnder Vermittlungsausschuss? Beck: Wenn Sie mir so einen Ehrentitel verleihen wollen, bitte. Ich meine, dass der Politik-Stil unserer rot-gelben Koalition in Rheinland-Pfalz prägend sein könnte. Also: sachlich diskutieren, klar entscheiden und nicht dauernd öffentlich streiten, sondern anständig miteinander umgehen. Sie sind beim bevorstehenden Parteitag erstmals Vorsitzender der Antragskommission. Gibt es einen Antrag oder eine Botschaft des Vorstandes für weniger einschneidende Reformen als geplant? Beck: Nein, wir benötigen Reformen, und die Union wird sich nicht mehr lange taktisch verweigern können. Der Leitantrag des Parteivorstandes, an dem ich mitgewirkt habe, bekennt sich zu den Reformen und macht dabei die sozialdemokratischen Grundwerte, auch den der sozialen Gerechtigkeit, deutlich. Die rheinland-pfälzische SPD hat darüber hinaus mit zwei Anträgen Akzente gesetzt - zur Bildungspolitik, die zu einem Markenzeichen von Rheinland-Pfalz geworden ist, und zur Medienpolitik. Das Interview führte unser Redakteur Joachim Winkler.

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