"Ich werde mit der SPD meinen Weg gehen"

Kurt Beck ist weiter angeschlagen. Auch wenn er sich zu Wochenbeginn deutlich vernehmbar auf der Berliner Bühne zurückgemeldet hat, steckt ihm die Krankheit noch spürbar in den Knochen. Im Interview äußert er sich zu Andrea Ypsilanti, einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei und den aktuellen Umfragewerten.

 Interview mit Gesundheits-Tee: Ministerpräsident Kurt Beck (links) stellte sich den Fragen von Markus Kratzer. Foto: Marco Heinen

Interview mit Gesundheits-Tee: Ministerpräsident Kurt Beck (links) stellte sich den Fragen von Markus Kratzer. Foto: Marco Heinen

Berlin. Zwischen der Gedenkstunde im Bundestag zum Tod von Annemarie Renger und einem Treffen mit dem früheren polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski nimmt sich der SPD-Vorsitzende Kurt Beck Zeit für ein Interview, bei "nicht zu empfehlendem Gesundheits-Tee", wie er scherzhaft bemerkt. Dabei scheint die noch nicht ganz erfolgte Genesung aber keine Auswirkungen auf den Kurs der Sozialdemokraten zu haben. "Ich werde mit der SPD meinen Weg gehen", betont er mit einer spürbaren Beharrlichkeit. Meinen Weg — das heißt keine pauschale Verteufelung der "sogenannten Linkspartei" wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Gysi, Lafontaine & Co. gerne tituliert. Auf Länderebene sollen die Sozialdemokraten vor Ort entscheiden, ob eine Zusammenarbeit mit den Linken möglich ist. Für den Bund schließt Beck ein solches Techtelmechtel dagegen kategorisch aus. Sie waren eine Zeit lang in der pfälzischen Heimat außer Gefecht gesetzt, während hier in Berlin so richtig der Bär getobt hat. Wie bewerten Sie heute das, was sich in dieser Zeit auch in den Medien abgespielt hat?Beck: Es liegt mir fern, irgendetwas auf die Medien zu schieben. Unsere Gesellschaft neigt dazu, wichtige Themen und Herausforderungen besonders schrill wahrzunehmen, so dass die feineren Konturen nicht mehr erkennbar sind. Mit dieser Realität muss man umgehen, und darüber darf man sich auch nicht beschweren.Was heißt das im Klartext für die SPD?Beck: Ich werde mit der SPD meinen Weg gehen. Ich habe erforderliche Entscheidungen getroffen. Dass es eleganter hätte beginnen können, habe ich eingeräumt. Aber in der Sache war es notwendig, eine Veränderung der Grundpositionierung vorzunehmen.Sind die schlechten Umfragewerte die Quittung für diesen Kurs?Beck: Ich bin mir natürlich bewusst, dass ein solch mediales Großthema sich auch kurzfristig in Umfragen niederschlägt. Ansonsten wären demoskopische Schwankungen ja auch nicht erklärbar. Das sind Momentaufnahmen, keine Wahlprognosen. Solche Ergebnisse muss man hinnehmen, wenn man eine derartige Neuorientierung vornehmen muss. Und dass das auch am Image eines Parteivorsitzenden kratzt, ist nur zu verständlich.Sie haben zu Beginn der Woche gesagt, dass sie einen Wortbruch der SPD im Umgang mit der Linkspartei nicht erkennen können. Es gibt genügend kritische Stimmen, die das anders sehen...Beck: Ich habe vor der Presse eine Position bestätigt, die ich seit längerer Zeit hatte und von der ich auch überzeugt bin. Schauen Sie: Welchen Zeitpunkt Sie auch wählen, um einen notwendigen Strategiewechsel zu vollziehen — es ist immer vor irgendeiner Wahl. Wie der hessische Weg aussehen soll, habe ich nicht bestimmt. Ich habe lediglich die Entscheidung über den Umgang mit den Linken generell frei gegeben — und die Partei hat dies in all ihren Entscheidungsgremien so beschlossen. Deshalb ist es eine Veränderung der Position, kein Wortbruch.Gilt das denn auch, wenn Sie sich aber in die Rolle eines Wählers in Hessen versetzen? Er hat die SPD in der sicheren Annahme gewählt, dass die Partei nicht mit Hilfe der Linkspartei an die Macht strebt.Beck: Da bin ich mir gar nicht so sicher, ob das für die Wähler in Hessen die entscheidende Rolle gespielt hat. Andrea Ypsilanti hat ja betont, dass sie zwischen zwei Zusagen stand: zum einen, die Regierung Koch abzulösen, zum anderen die Absicht, nicht mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Sie hat ihre Entscheidung getroffen, und daran möchte ich jetzt auch keine Kritik üben.Dennoch verstummen nicht die Vorwürfe, die SPD sei in einer Glaubwürdigkeitskrise. Wie wollen Sie und die Partei dem entgegenwirken?Beck: Die Strategie ist klar. Die Frage einer Zusammenarbeit ist aus formaler Sicht entschieden. Es wird nun inhaltlich abgewogen, was man mit wem tun kann. Dabei spielen Ausschlusskriterien für eine bestimmte Partei keine Rolle. Und die inhaltlichen Kriterien sagen völlig unzweifelhaft, dass es auf Bundesebene keine Zusammenarbeit mit der sogenannten Linkspartei geben kann.Woran machen Sie das inhaltlich fest?Beck: Solange diese Partei Grundorientierungen der Republik infrage stellt, brauchen wir über eine Kooperation auf Bundesebene gar nicht nachzudenken. Nehmen sie zum Beispiel die Einbindung Deutschlands in die Europäische Union oder die Nato-Mitgliedschaft, die die Linkspartei infrage stellt. Oder nehmen Sie die Forderung, weite Teile der Wirtschaft zu verstaatlichen. Solange solche Positionen stehen, bleibt eine Zusammenarbeit aus der Sache heraus ausgeschlossen.Was heißt dies für die Länder?Beck: In den Ländern muss man differenzieren. In Niedersachsen, wo Listen gemeinsam mit der DKP aufgestellt werden, ist von vornherein klar, dass es keine Kooperation gibt. Andernorts muss man dies genau prüfen. Weil die Linkspartei kein Programm hat, kann man auch nicht generell sagen, dass es geht oder nicht. Das muss vor Ort entschieden werden.Welche inhaltliche Ausrichtung muss die SPD Ihrer Meinung nach vornehmen?Beck: Ein alarmierendes Zeichen ist für mich das Wegbrechen des Mittelstands aus unserer Gesellschaft. Dem müssen wir entgegenwirken. Und ich bin überzeugt, dass die SPD die Kraft haben wird, das bis zur Bundestagswahl 2009 an vielen Beispielen deutlich zu machen.Können Sie da konkreter werden?Beck: Wir wollen die Menschen in der Mitte der Gesellschaft ansprechen. Wir müssen dieser Gruppe Angebote machen, seien es kostenfreie Kindertagesstätten, Ganztagsschulangebote oder gebührenfreie Studienplätze. Es geht aber auch darum, für die abhängig Beschäftigten wieder Stabilität in die Tarif- und Lohnsysteme zu bringen. Hier sei noch einmal die Wichtigkeit eines Mindestlohns erwähnt. Auch für Selbstständige und Freiberufler brauchen wir eine deutliche Absicherung ihrer Versorgung mit Finanzdienstleistungen. Generell gilt, dass niemand trotz vollschichtiger Arbeit in eine prekäre Situation rutschen darf. Ansonsten gerät ein Eckpfeiler unserer politischen Orientierung ins Wanken. Wer anständig Leistung bringt und davon trotzdem nicht leben kann, der wird verzweifeln an einem solchen System.Mit der Konsequenz, dass diese Menschen die Linke wählen?Beck: Ja, dass es zu viele Menschen gibt, die in einer solchen Situation sind, ist für mich die entscheidende Ursache dafür, dass wir viele Protestwähler haben. Die sind früher einmal bei rechtsradikalen Parteien gelandet und bringen heute die sogenannte Linkspartei im Westen über die Fünf-Prozent-Hürde.Wie wollen Sie sich denn von der Union abgrenzen, besonders im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf 2009?Beck: Es geht darum, unsere eigenen Themen zu setzen. Wir sind die Partei, die klare Vorstellungen hat von der Lösung der drängenden Probleme — von der Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen. Anhand dieser Positionen wird die Abgrenzung zu den anderen Parteien erfolgen.Wann glauben Sie denn, dass der Strategiewechsel die breite Akzeptanz der Basis finden wird? Eine Reihe von Sozialdemokraten in den Ortsvereinen erkennen "ihre SPD" nicht mehr wieder...Beck: Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Ich denke, das sind Einzelstimmen von der Basis. Unser überwiegendes Echo ist in dem Tenor: Es war höchste Zeit, dass ihr diesen Weg jetzt geht. Ich denke nicht, dass ein gewisser Unmut, den ich ja gar nicht bestreiten will, sehr lange anhält. Die Menschen an der Basis sind über die ganze Aufregung und Begleitmusik natürlich nicht erfreut. Aber ich sehe Signale, dass die Partei relativ schnell wieder zusammenfinden wird.Kommen wir zurück zur schwierigen Regierungsbildung in Hessen. Wir muss es Ihrer Meinung nach in Wiesbaden weitergehen?Beck: Frau Ypsilanti hat ja versucht, einen Ansatz zu finden — der konnte dann nicht zuletzt auch durch die Entscheidung von Frau Metzger nicht weiterverfolgt werden. Jetzt ist Herr Koch am Zug, und die SPD wird versuchen, von Initiative zu Initiative ihre Politik einzubringen und dafür Mehrheiten zu bekommen. Es gibt in meinen Augen genügend Ansätze zur politischen Auseinandersetzung. Das hessische Parlament wird sich auf SPD-Initiative sicher damit beschäftigen müssen, die Studiengebühren abzuschaffen und in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückzukehren. Jetzt müssen andere sehen, was sie tun. Ich hoffe, dass es so bald wie möglich die Chance zu einer Regierungsbildung gibt. Die FDP kann sich besinnen, dann würde man weiterkommen.Sie haben die Rolle von Frau Metzger angesprochen. Die Meinungen über sie reichen von der standhaften Heldin bis zur Königinnenmörderin. Wie bewerten Sie ihre Haltung?Beck: Sie hat eine Entscheidung getroffen, die zu respektieren ist. Sie ist eine gewählte Abgeordnete, und man muss ihren Schritt achten. Dadurch wird man weder zur Heldin, noch darf man deshalb unter Druck gesetzt werden. Mehr gibt es, denke ich, dazu nicht zu sagen.Kommen wir zurück zum Beginn des Gesprächs, zur Wahrnehmung der SPD in der Öffentlichkeit: Auf welche Schlagzeile in den vergangenen drei Wochen hätten Sie gerne verzichtet?Beck: Ich hätte schon auf viele verzichten können. Ich möchte jetzt auch gar keine persönlich auf mich gemünzte Zeile nennen. Aber die persönlichen Diffamierungen von Frau Ypsilanti in der Boulevard-Presse gehen für mich eindeutig zu weit. Wenn ihr Sohn nicht mehr in die Schule gehen will, weil man ihn dort wegen der Schlagzeilen hänselt, wurde sicher eine Grenze überschritten.Und welche Schlagzeile würden Sie in den nächsten drei Wochen gerne über sich und die SPD lesen?Beck: Wenn geschrieben würde, dass die SPD nach schwierigen Diskussionen auf einem Weg ist, die Sachfragen anzugehen und für eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Politik einzutreten, dann wäre ich schon zufrieden. Ich erwarte ja gar kein Lob, aber gegen einen solchen Tenor hätte ich bestimmt nichts einzuwenden.Das Gespräch führte Markus Kratzer. Kratzer ist Redakteur der Rhein-Zeitung.

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