Im Takt des Trabanten

TRIER. Abspecken und Haareschneiden, Blumengießen und Fensterputzen: Viele Menschen organisieren ihren Alltag nach dem Mondkalender. In einem Eifeler Sägewerk schwört man auf "Mondholz" – und liefert Erklärungen, wie der Trabant die Holzqualität beeinflusst.

Äußerlich ist nichts Ungewöhnliches an den vielen Baumstämmen im Hof des Sägewerks Thiel zu erkennen. Doch Matthias Thiel, Chef des Betriebs im Eifelort Dudeldorf-Ordorf, lässt keinen Zweifel aufkommen: Dieses Holz ist etwas ganz Besonderes. Mondholz nämlich. Geschlagen nach dem Mondkalender. "Wir verarbeiten grundsätzlich nur noch Stämme, die bei abnehmendem Mond gefällt wurden", erzählt Thiel. Zu diesem Zeitpunkt geschlagenes Holz sei deutlich trockener, reiße weniger, verdrehe sich nicht und sei widerstandfähiger gegen Schädlinge. Vor einigen Jahren lachten die Förster, wenn Thiel Holz unter der Bedingung bestellte, dass es zu einem bestimmten Termin geschlagen werden müsse. "Heute sind sie selbst begeistert." Die Forstwirte befinden sich in guter Gesellschaft: Das Leben nach dem Mondkalender boomt. 91 Prozent der Bundesbürger glauben, dass der 400 000 Kilometer von der Erde entfernte Trabant den Menschen beeinflusst. 2,5 Millionen Mal ist das Standard-Buch über das Leben nach dem Mondkalender, "Vom richtigen Zeitpunkt", allein in deutscher Sprache verkauft worden. Hinzu kommen Übersetzungen in 22 Sprachen. Wissenschaftlich belegt ist die Wirkung des Mondes auf den Menschen nicht, eher im Gegenteil: Es gibt Studien, die eine - immer wieder gern behauptete - Häufung von Verbrechen bei Vollmond ins Reich der Fabeln und Märchen verweisen. Gleiches gilt für den Heilungsverlauf nach Operationen, die nach Ansicht vieler "Mond-Gläubiger" in manchen Mondphasen günstiger sind als in anderen. Und eine andere Untersuchung ergab: Es besteht kein Zusammenhang von Mondphase und Schlafqualität. Thomas Poppe, der zusammen mit seiner Partnerin Johanna Paungger das Buch "Vom richtigen Zeitpunkt" geschrieben hat, hält dagegen: "Unser Wissen ist Erfahrungswissen", sagte er vor kurzem in einem Interview mit dem "Stern". "Es begründet sich durch sich selbst, ohne dass die Wissenschaft die Phänome erklären kann." Zumindest beim Holz, sagt Matthias Thiel, gebe es durchaus logische Begründungen für das Fällen nach dem Mondkalender: Bei zunehmendem Mond steige der Grundwasserspiegel. "Die Bäume ziehen Wasser." Mit abnehmendem Mond sinke auch der Wasseranteil eines Baumes. Folge: Wer möglichst trockenes Holz haben möchte, fällt zu diesem Zeitpunkt - und zwar während der Wintermonate, wenn der Baum ohnehin weniger Wasser gespeichert hat als während der wärmeren Jahreszeiten. Thiel geht noch weiter: "Auch in Bäumen gibt es Ebbe und Flut." Er zitiert eine Studie der Technischen Hochschule Zürich, nach der Baumstämme im Rhythmus des Mondes an- und abschwellen. Das Wissen um die Wirkung des Mondes sei uralt, sagt Thiel. Fällordnungen aus vergangenen Jahrhunderten enthielten Anweisungen, bei welcher Mondphase Holz zu schlagen sei. Das Bäumefällen ist nur eine von Hunderten von Tätigkeiten, die, nach dem Mondkalender erledigt, bessere Ergebnisse bringen sollen. Haare und Fingernägel werden im Takt des Trabanten geschnitten, Fenster geputzt, Kleider gewaschen, Pflanzen gesät, gestutzt und gegossen. Auch in einer Abteilung des Trierischen Volksfreunds erhalten die Blumen ihr Wasser nach dem Mondkalender - und gedeihen seither angeblich prächtig. Es gibt bei Vollmond abgefülltes Mineralwasser und zu diesem Zeitpunkt gebrautes Bier, Mondphasen-Diäten und -Kosmetik. "Mond wirkt auf Wasser, daraus besteht der Mensch"

Nicht jeder kann sein Handeln nach dem Mondkalender so gut begründen wie Matthias Thiel. Der Mondholz-Experte warnt jedoch vor Überheblichkeit gegenüber Menschen, die sich auch anderweitig nach dem Mondkalender richten. Mit Esoterik, sagt er, habe er nichts am Hut - und wer den bodenständigen Eifeler sieht, zweifelt daran keine Sekunde. Ebbe und Flut aber zeigten schließlich, welche Auswirkungen der Mond auf Wasser habe. "Und der Mensch", sagt Matthias Thiel, "besteht doch zum größten Teil aus Wasser!"

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