Im Wahlmonat droht der Renten-Kollaps

BERLIN. Das Loch in der Rentenkasse wird immer größer. Ausgerechnet im Wahlmonat September muss der Bund wohl Geld zuschießen.

Für die rot-grüne Bundesregierung ein herber Schlag: Am 18. September wird gewählt. Und ausgerechnet im September geht den Rentenkassen zum ersten Mal seit 20 Jahren vermutlich das Geld aus. Dann muss Finanzminister Hans Eichel außerplanmäßig rund 450 Millionen Euro ,,beischießen", damit die Renten ordnungsgemäß ausgezahlt werden können. "Wir leben von der Hand in den Mund", erklärte Franz Ruland, Direktor des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, am Dienstag in der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt". "Wenn wir von den Annahmen der Bundesregierung ausgehen, ist im September tatsächlich ein vorgezogener Bundeszuschuss erforderlich." Zudem werde es immer wahrscheinlicher, dass die angeschlagenen Alterskassen zum Jahresende einen regelrechten Kredit des Bundes in Höhe von etwa einer Milliarde Euro benötigten. Die Auszahlung der Renten, so Ruland, sei jedoch "in jedem Fall gesichert". Der Sprecher des Sozialministeriums, Klaus Vater, räumte gegenüber unserer Zeitung ein, dass es "im Herbst womöglich eng wird und im September mit einem Zuschuss nachgeholfen werden" müsse. Dass darüber hinaus eine Bundesgarantie von einer Milliarde Euro für die Rentenkasse nötig sein wird, wollte Vater gestern nicht bestätigen. "Von einem Kollaps kann keine Rede sein." Schon im Mai hatte es erste Alarmsignale aus Kreisen der Rentenversicherer gegeben. Die Finanzreserven der Rentenkassen betrugen damals nur noch sieben Prozent einer Monatsausgabe, was knapp einer Milliarde Euro entspricht. Im Dezember 2004 hatte die Reserve noch knapp fünf Milliarden Euro oder 32 Prozent einer Monatsausgabe betragen. Nach dem Gesetz muss die Rentenversicherung zum Jahresende eine Reserve von 20 Prozent einer Monatsausgabe vorweisen, was 3,2 Milliarden Euro entspricht. Falls dieser Wert nicht erreicht wird, ist im Prinzip eine Beitragserhöhung vorgesehen. Derzeit beträgt der Beitragssatz 19,5 Prozent. Jeden Monat sind 16 Milliarden Euro fällig

In jedem Monat fallen gesetzliche Rentenauszahlungen in Höhe von fast 16 Milliarden Euro an. Der Hintergrund der dramatisch sinkenden Einnahmen der Rentenkasse: Die wirtschaftliche Lage bessert sich nicht. Die eher magere Lohn- und Gehaltsentwicklung, der Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse sowie die Kürzungen von Weihnachts- und Urlaubsgeld lassen die Einnahmen spärlicher fließen. Bis auf den Mai sind deshalb in diesem Jahr die Einnahmen der Rentenkassen mit jedem Monat weiter gesunken. Um die Rentenbeiträge für 2006 nicht anheben zu müssen, hatte Sozialministerin Ulla Schmidt mit dem Segen der Union vor Wochen durchgesetzt, dass Unternehmen ab kommendem Jahr ihre Sozialbeiträge schon 14 Tage früher als bislang üblich abführen müssen. 2006 gehen folglich 13 statt der üblichen zwölf Monatsbeiträge in die Rentenkasse ein. Dieser Einmaleffekt sorgt für Mehreinnahmen von immerhin gut neun Milliarden Euro. Der Sozialexperte der Union, Andreas Storm, bezeichnete gegenüber unserer Zeitung die Gesamtsituation der Rentenkasse als "absolut Besorgnis erregend". Ministerin Schmidt habe systematisch die Rücklagen der Rentenkasse ,,geplündert". Er geht davon aus, dass das Bundesfinanzministerium angesichts der dramatischen Lage zum Jahresende eine zusätzliche Milliarde als ,,Bundesgarantie" in die Rentenkasse überweisen müsse. Um die Altersversorgung langfristig zu sanieren, sei dringend mehr Wachstum und Beschäftigung nötig.

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