Invasion der roten Röcke

TRIER. Pausbacken, Rauschebärte und rote Kostüme, wohin man sieht: Überall machen im Advent Weihnachtsmänner Geschäfte und Fußgängerzonen unsicher. Ist der alte Mann tatsächlich nichts als ein Zeichen von Ami-Kitsch und Kommerz, erfunden von Coca-Cola?

"Ho, Ho, Ho!" ruft der Weihnachtsmann und fliegt mit einem von Rentieren gezogenen Schlitten durch die Gegend. Rot-Weiß ist sein Kostüm, Rot-Weiß wie die Farben von Coca-Cola. Ein gängiges Gerücht besagt, die Limonaden-Firma habe den Weihnachtsmann für eine Werbekampagne erfunden. Viele Traditionalisten sind daher regelrecht genervt über die seit Jahren zunehmende Zahl von Weihnachtsmännern, die ihnen als Symbole für Geschenke-Zwang, Rummel und Kommerz rund um das immer weniger besinnliche Weihnachtsfest erscheinen. Doch dass Coca-Cola den Weihnachtsmann erfunden hat, ist nicht ganz richtig. Aber auch nicht ganz falsch. Zunächst gibt es nur den Nikolaus als Geschenkebringer. Schon früh bekommt der Heilige Bischof von Myra und Schutzpatron der Kinder diese Funktion. Reformator Martin Luther ist dann die übermäßige Heiligenverehrung innerhalb der Kirche ein Dorn im Auge. Die meisten Heiligen quasi abzuschaffen, ist für ihn kein großes Problem, doch beim überaus beliebten Heiligen Nikolaus braucht es eine andere Lösung. Und so erfindet Luther 1535 kurzerhand das Christkind als Gabenbringer an Weihnachten, wobei das Christkind nicht unbedingt mit dem Jesuskind deckungsgleich ist. Das Christkind: Erfindung Martin Luthers

Auf vielen Darstellungen erinnert es mit Flügeln eher an einen Engel, und es ist auch nicht so ganz klar, ob das Christkind weiblich oder männlich ist. Sicher ist nur, dass es nach Luthers Erfindung in vielen Gegenden Deutschlands dafür sorgt, dass Geschenke unter dem Weihnachtsbaum landen. Mal allein, aber manchmal auch mit Hilfe eines Knecht Ruprecht oder Hans Muff, der als finsterer Geselle auch dem Nikolaus schon beigeordnet wurde. Erstaunlicherweise hält sich das Christkind dann aber länger in eher katholischen Gegenden Süd- und Südwestdeutschlands, während sich im Norden und Osten Deutschlands der Weihnachtsmann zum Geschenkepatron entwickelt. Laut der Volkskundlerin Christiane Cantauw stammt das erste Bild des Weihnachtsmannes aus dem Jahr 1847. Ein gewisser Moritz von Schwind habe einen "Herrn Winter" abgebildet, der in der Weihnachtsnacht geschmückte Christbäume verschenkt. Bekannt wird der Weihnachtsmann in Deutschland auch über das bis heute beliebte Lied "Morgen kommt der Weihnachtsmann", das Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1835 schreibt. Der Weihnachtsmann ist von Anfang an so eine Art Mischung aus dem Nikolaus und seinem strengen Begleiter Knecht Ruprecht, der mit Sack und Rute ausgerüstet ist. Er bringt die Geschenke aber nicht am 6. Dezember, sondern eben an Weihnachten. Über den holländischen Begriff "Sinterklaas" gelangt der Weihnachtsmann als "Santa Claus" auch in die Vereinigten Staaten. Zunächst wird er noch in ganz verschiedenen Formen beschrieben, etwa 1809 vom Schriftsteller Washington Irving als Mann mit "einem tiefen Hut mit breiter Krempe, einer riesigen flämischen Kniehose und langer Pfeife". Der Dichter Clement C. Moore beschreibt in seinem Gedicht "A Visit from St. Nicholas" den Weihnachtsmann dann als kleines pausbäckiges, pummeliges Männlein, eine Art Kobold also. Viele Zeichnungen, meist noch in Schwarzweiß, entstehen aufgrund dieses Gedichtes. Doch immer mehr dominiert ein Weihnachtsmann-Bild, das ihn als weißbärtigen Senior in rot-weißem Dress zeigt. Laut der "Zeit" findet sich in der New York Times im Jahr 1927 die Beschreibung: "Ein standardisierter Santa Claus erscheint den New Yorker Kindern. Größe, Gewicht, Statur sind ebenso vereinheitlicht wie das rote Gewand, die Mütze und der weiße Bart." Erst 1931 kommt Coca-Cola ins Spiel. Die Firma beauftragt den schwedisch-amerikanischen Zeichner Haddon Sundblom, Santa Claus für eine Werbekampagne zu zeichnen. Er wählt die heute bekannte, großväterliche Form, wobei er zunächst angeblich das Gesicht eines pensionierten Cola-Fahrers zum Vorbild nimmt, später sein eigenes. Weltberühmt dank Coca-Cola

Über 30 Jahre lang benutzt der Limonaden-Konzern alljährlich Zeichnungen Sundbloms für immer größere Werbefeldzüge, die schließlich fast weltumspannend sind. Auch wenn Coca-Cola den Weihnachtsmann also nicht erfunden hat, so hat der Konzern doch erheblich zu seiner Verbreitung beigetragen - und letztlich auch dazu, dass der inflationäre Gebrauch rot-weißer Mützen und Kittelchen heute vielen auf den Wecker fällt und sie sich nach dem Christkind zurücksehnen. All denen sei als Trost ein Spielchen im Internet empfohlen: Unter www.coolmen.ch/advent/weitwurf kann man Santa Claus mit einem Katapult durch die Gegend schleudern. Genau richtig für Weihnachtsmann-Hasser.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort