Irak-Debakel: Deutschland soll helfen

Washington. Seit gestern ist der 142 Seiten starke Bericht der Baker-Kommission zum Irak auch in Amerikas Buchläden zu haben – und schon zum Bestseller geworden. Bei der Suche nach Auswegen aus dem Irak-Debakel bringt der Baker-Bericht auch Deutschland ins Spiel.

Baker-Bericht als Bestseller in den USA: Unter den zehn meistgefragten Titeln verzeichnet der führende Online-Anbieter Amazon bereits die Empfehlungen der fünf Demokraten und fünf Republikaner zu möglichen Wegen aus einer Lage, die in der schonungslosen Bestandsaufnahme als katastrophal dargestellt wird. Manche Politiker nutzen den Bericht bereits als eine Steilvorlage für eine Generalabrechnung mit der Ära Bush."Größtes Desaster der US-Geschichte"

Als "größtes strategisches Desaster in der Geschichte der USA" bezeichnete beispielsweise Ex-Vizepräsident Al Gore jetzt den Irak-Feldzug, an dessen Gefahren die US-Bürger wieder nachdrücklich erinnert wurden: Allein elf Soldaten, so meldete das Pentagon, ließen an dem Tag ihr Leben im Irak, an dem Präsident George W. Bush schwarz auf weiß zu dramatischen Veränderungen angesichts einer "ernsten und sich verschlechternden Situation" aufgefordert wurde. Bei dem nach Ansicht der Baker-Gruppe überfälligen wie unverzichtbaren Kurswechsel soll Berlin in einer Vermittler-Rolle helfen: Unter den insgesamt 79 Vorschlägen findet sich auch die Idee, Länder wie Deutschland, Japan und Südkorea in eine "Unterstützergruppe" zu berufen, in der dann auch Nachbarstaaten des Iraks sowie die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates vertreten sein sollen. In dieser Gruppe würde dann die Präsenz von entweder Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Außenminister Steinmeier gefragt sein, denn nur auf einer derart hohen Ebene sieht man innerhalb der Kommission Erfolgschancen für schnelle Fortschritte. In erster Linie ist dabei an eine Annäherung zwischen Washington und den "Schurkenstaaten" Iran und Syrien gedacht. Steinmeier reiste gestern zu Gesprächen in die USA und wird dort unter anderem mit Außenministerin Condoleezza Rice und Kongressvertretern sprechen. Im Mittelpunkt der Konsultationen stehen der Atomkonflikt mit dem Iran, die Situation im Irak und die Bemühungen um einen Frieden zwischen Israel und Palästinensern. Die Experten der Baker-Kommission sehen eine Unterstützung der Deutschen lediglich auf diplomatischer Ebene, die Möglichkeit militärischer Beiträge wird in dem Bericht erst gar nicht angesprochen. US-Präsident George W. Bush, der gestern in Washington mit Großbritanniens Premierminister Tony Blair zu Beratungen über die Irak-Situation zusammentraf, dürfte erste deutliche Veränderungen in seiner Strategie für das Zweistromland schneller als erwartet bekannt geben. "Noch vor dem Jahreswechsel" könnte es eine Neuausrichtung des Kurses geben, ließ Bush-Sprecher Tony Snow in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN durchblicken. Zwei weitere Studien in Arbeit

Zuvor wartet man jedoch im Weißen Haus noch auf zwei weitere Studien, die Wege aus der Misere aufzeigen sollen: Sowohl die US-Militärführung als auch der Nationale Sicherheitsrat, der den Präsidenten üblicherweise berät, arbeiten derzeit an eigenen Empfehlungen. Ob sich diese Gremien auch zum Vorschlag einer stärkeren diplomatischen Initiative unter Einbeziehung von Syrien und dem Iran bereitfinden, ist allerdings zweifelhaft: Der Präsident hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder energisch gegen direkte Kontakte mit beiden Ländern ausgesprochen. Sowohl Syrien als auch der Iran verfügen jedoch laut Baker-Bericht über "die Fähigkeit, die Ereignisse im Irak zu beeinflussen". In den amerikanischen Medien dominierte gestern die Frage, wie wandlungsfähig Bush tatsächlich ist und wie ernst er den Bericht nehmen wird. "Wird er im Weißen Haus etwas bewirken?", fragte etwa die "New York Times", während die "Los Angeles Times" die Isolation Bushs und die General-Abrechnung der Baker-Experten mit den Worten kommentierte: "Unverblümte Worte für eine Zuhörerschaft von nur einem." Gemeint war der Präsident.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort