Ist drin, was drauf steht?

Können Verbraucher mit dem neuen Gentechnik-Gesetz sicher sein, dass nur genfreies Essen auf den Teller kommt? Kritiker bezweifeln das, die Abgeordneten der Region sind unterschiedlicher Meinung.

Trier/Berlin. Die Deutschen sind pingelig, wenn es darum geht, was auf den Teller kommt. Und bei Gentechnik rümpfen die meisten die Nase, auch wenn kaum einer sagen kann, ob Lebensmittel, die mit im Labor veränderten Produkten hergestellt wurden, gesundheitsschädlich sind. Zwei Jahre lang stritt die Große Koalition über die Kennzeichnungspflicht von Gen-Lebensmitteln und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Es deutet alles darauf hin, dass der Bundestag das neue Gentechnik-Gesetz durchwinken wird. Unter anderem geht es darum, dass der Abstand zwischen Feldern, auf denen Gen-Mais angebaut, und denen, auf denen konventioneller Mais angebaut wird, mindestens 150 Meter betragen muss. Die Landwirte können sich allerdings untereinander auf geringere Abstände einigen. Für die Bitburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken sind die im Gesetz genannten Mindestabstände viel zu gering. Kritiker der sogenannten grünen Gentechnik warnen seit langem davor, dass zum Beispiel Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen ohne weiteres konventionelle Äcker "verunreinigen" können. Das Gentechnik-Gesetz werde zulasten der Umwelt und der Verbraucher verschlechtert, befürchtet Höfken. Auch der Dauner FDP-Bundestagsabgeordnete Edmund Geisen sieht daher in der Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" eine "dreiste Verbrauchertäuschung". Geisen ist allerdings nicht grundsätzlich gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft. Er sieht zum Beispiel im Anbau von Gen-Mais einen Beitrag zum Umweltschutz, weil die Pflanzen, durch die Veränderung des Saatgutes im Labor, resistenter seien und daher weniger Gift eingesetzt werden müsse. "Mit gutem Gewissen" sagt der Hermeskeiler SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Diller heute im Bundestag Ja zu dem neuen Gesetz. Seine Partei habe nach zähem Ringen die Interessen der Verbraucher und der Landwirte bei der Neuerung des Gentechnik-Gesetzes durchgesetzt. Verbraucher hätten künftig die Wahlfreiheit, ob sie Gen-Lebensmittel kaufen wollen oder nicht. Mehr Wahlfreiheit für Verbraucher?

Sein Kollege, der Trierer Bernhard Kaster (CDU), der nach eigenem Bekunden der Gentechnik kritisch gegenüber steht, sieht das ähnlich: "Mit dem neuen Gentechnikgesetz erhalten die Verbraucher die Wahl, sich für oder gegen gentechnisch hergestellte Lebensmittel zu entscheiden." Doch wie groß ist die Wahlfreiheit tatsächlich? Denn selbst wenn "Ohne Gentechnik" draufsteht, heißt das nicht, dass die Lebensmittel nie mit gentechnisch veränderten Zusätzen in Berührung gekommen sind. Fleisch zum Beispiel. Dies darf nach dem neuen Gesetz auch dann als gentechnik-freies Fleisch verkauft werden, selbst wenn die Tiere zuvor mit Futter gemästet wurden, das gentechnisch veränderte Zusatzstoffe enthalten hat. Der Cochemer CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Bleser kritisiert daher die Vorschriften zur Kennzeichnungspflicht. Seine Partei habe sich konsequentere Regeln wie etwa bei Öko-Lebensmitteln gewünscht. Der Einsatz von Gen-Zusatzmitteln im Futter und in Lebensmitteln hätte nur dann erlaubt werden dürfen, wenn es dafür keine konventionellen Produkte gibt. Gegen diese Regelung habe sich aber der Koalitionspartner, die SPD, gewehrt, sagt Bleser. Allerdings verweist er darauf, dass der Anbau von Gen-Mais keine Gefahren für Mensch und Umwelt mit sich bringe. Die Bauern selbst lehnen das neue Gesetz aber ab. Es bringe noch immer keine klaren Regeln im Sinne der Verbraucher und der Landwirte, kritisiert Bauernverbandssprecher Herbert Netter. Hintergrund Die Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel Bisherige Kennzeichnung: Lebensmittel dürfen bislang nur dann mit der Kennzeichnung "ohne Gentechnik" versehen werden, wenn strenge Voraussetzungen vorliegen. Sie dürfen nicht aus genetisch veränderten Organismen bestehen oder hergestellt werden, und zur Produktion dürfen keine Hilfsstoffe verwendet werden, die aus genveränderten Organismen bestehen. Das Futter der Tiere, die zur Herstellung verwendet werden, darf nicht mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt worden sein. Das gilt auch für Medikamente oder Zusatzstoffe, die die Tiere einnehmen. Die Kennzeichnung ist bislang in der NeuartigenLebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung (NLV) von 1998 geregelt. Geplante Kennzeichnung: Nach dem Willen von Union und SPD dürfen Fleisch- und Wurstwaren, Milch und Eier künftig die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" tragen, wenn die Tiere keine genveränderten Futtermittel erhalten haben. Unter bestimmten Voraussetzungen darf aber auch dann als gentechnikfrei gekennzeichnet werden, wenn die Futtermittel mit Enzymen oder Vitaminzusätzen angereichert wurden, die durch gentechnische Verfahren hergestellt worden sind.

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