Jenseits von Afrika

Berlin. Bedrückung und Erleichterung zugleich herrschten an Bord der Luftwaffen-Maschine "Konrad Adenauer", mit der Bundespräsident Johannes Rau, Ehefrau Christina und die 80-köpfige Delegation am Mittwoch Abend in Berlin landeten. Seine letzte große Auslandsreise hatte sich das deutsche Staatsoberhaupt anders vorgestellt.

Die konkrete Bedrohung durch einen Mordanschlag in Dschibuti, wo Bundespräsident Johannes Rau auf der letzten Station seiner achttägigen Afrikareise die deutschen Soldaten der Anti-Terror-Mission "Enduring freedom" besuchen wollte, hat zu einer früheren Heimkehr geführt. "Mir tut das sehr leid", sagte Rau bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Tegel. "Terror darf uns nicht handlungsunfähig machen"

Man dürfe dem Terror nicht in einer Weise begegnen, "die uns handlungsunfähig macht". Die dramatische Entscheidung, einen offiziellen Staatsbesuch abzubrechen, war am Dienstag Nachmittag gefallen, als sich die Hinweise auf ein mögliches Attentat verdichtet hatten. Die alarmierenden Informationen des Bundesnachrichtendienstes (BND) waren vom Außen- und Innenministerium sowie vom Kanzleramt bewertet und mit Rau telefonisch in Afrika besprochen worden. Dem Vernehmen nach nahm der Präsident die Warnungen ernst und entsprach der dringenden Empfehlung, die Reise nach Dschibuti abzusagen und zurück nach Deutschland zu fliegen. "Der Abbruch war unvermeidbar", sagte Innenminister Otto Schily, der am Mittwoch aber zugleich beteuerte, die Gefahr für Rau sei "eher regional" begrenzt gewesen. Schilys Sprecher Rainer Lingenthal ergänzte dies am Mittag mit dem Hinweis, der Präsident sei zu keiner Zeit in Gefahr gewesen. Ob diese Aussage hinreichend das Verhalten von Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt, sei dahin gestellt. Just nach der Entscheidung, Raus Reise vorzeitig zu beenden, klingelte am Dienstagabend gegen 19 Uhr im Kanzleramt das Telefon: US-Präsident George Bush wünschte den Kanzler zu sprechen. Rund 15 Minuten lang unterhielt man sich über den internationalen Terrorismus - ohne dass Schröder ein Wörtchen über die Umstände der Rau-Reise verlor. Wenn man angerufen werde, so Regierungssprecher Thomas Steg mit dem Versuch einer Erklärung, warte man erstmal ab, welches Anliegen der Anrufer vortrage. Jedenfalls dankte Bush dem Kanzler für die "klare Haltung der Bundesregierung zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus", würdigte das deutsche Engagement in Afghanistan und auf dem Balkan und beteuerte die "strategische Partnerschaft" der beiden Staaten. Nichts Neues also. Welchen Hintersinn Bushs Anruf hatte, blieb unbeantwortet. In Kreisen der Bundesregierung hieß es am Mittwoch, der Anruf des wahlkämpfenden Präsidenten könnte auch "innenpolitisch motiviert" gewesen sein. Die Morddrohungen gegen Rau bedeuten nach Angaben der Bundesregierung keine erhöhte Terrorgefahr in Deutschland. Die Sicherheitslage habe sich nicht verändert, sagte Innensprecher Lingenthal. Auch gebe es keinerlei Hinweise auf eine spezifische Bedrohung anderer deutscher Spitzenrepräsentanten. Nach Aussage des Verteidigungsministeriums ist auch die Sicherheitslage im Umkreis der in Dschibuti stationierten Bundeswehreinheit "ruhig und stabil". Am Horn von Afrika verrichten rund 250 Marinesoldaten im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes ihren Dienst. Ob das terroristische Netzwerk El Kaida hinter den Attentatsdrohungen vermutet wird, wollte Regierungssprecher Steg nicht sagen. Er verwies ausdrücklich auf die Formulierung, man gehe von Tätern mit einem "islamistischen Hintergrund" aus. Keine Antwort gab es auch auf Fragen nach der vermuteten Art des geplanten Anschlags auf Rau. "Solche Fragen beantworten wir nicht", sagte Steg. Eine Zeitung hatte gemeldet, der Anschlag auf den Präsidenten sei entweder mit einer Autobombe oder einem Mörserangriff geplant gewesen. Die Regierung in Dschibuti reagierte nach Agenturmeldungen verärgert über die Absage der Reise. Rau sei nicht in Gefahr gewesen. Nach Angaben des Präsidialamtes in Berlin hat der Präsident den Soldaten in Dschibuti eine Erklärung zukommen lassen, in der er seine Absage bedauerte. Er werde seine Reisepläne "auch in Zukunft nicht von Terroristen diktieren lassen".

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