Jetzt geht es ans Eingemachte

Union und Liberale treten bei ihren Koalitionsverhandlungen von heute an in die große Schlussrunde ein. Erst sollen Steuer- und Finanzfragen entschieden werden, dann geht es um einen Fahrplan in Sachen Gesundheit.

Berlin. Guido Westerwelle zeigte sich gestern vor der Fraktionssitzung seiner Partei unerbittlich. In "großer Klarheit" wolle er mitteilen: "Wir werden die Staatsfinanzen nur gesund kriegen, indem wir endlich die Bürger und insbesondere auch den Mittelstand mutig entlasten", so der FDP-Chef. Und das werde die künftige schwarz-gelbe Regierung auch tun. Der Oberliberale wehrt sich nach Leibeskräften, denn die FDP steht zunehmend unter Beschuss. Derzeit haben die Liberalen offenbar nur noch einen Verbündeten: ausgerechnet die CSU.

Hatten doch die bayerischen Christsozialen und vor allem ihr Parteichef Horst Seehofer im Wahlkampf keine Gelegenheit ausgelassen, kräftig gegen die FDP zu holzen. Mit seinem Vorstoß einer Einkommensteuersenkung schon ab 2011 robbt sich der CSU-Chef nun vorsichtig wieder an die FDP heran. Sehr zum Ärger der CDU. "Beschlossen ist überhaupt noch nichts", meinte der Haushälter Steffen Kampeter am Rande der Unions-Fraktionssitzung.

Auch die Länder rebellieren: Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff hatte am Wochenende den Anfang gemacht, nun fallen die Unions-Regierungschef beim Thema Steuersenkungen um wie die Dominosteine. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) warnte: Vielen Ländern sei angesichts ihrer überschuldeten Haushalte "angst und bange", wenn über Steuersenkungen diskutiert werde. Und die finanzpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen der Union schickten von einem gemeinsamen Treffen in Bremen die unbequeme Botschaft, dass Steuersenkungen "nicht einseitig zulasten der Länder" gemacht werden dürften.

Der Gegenwind für Westerwelle und Seehofer wird also immer größer. Beide fürchten wiederum, am Ende als Münchhausen des Wahlkampfes in die Geschichte einzugehen. Und Angela Merkel schweigt.

Laut Kampeter liegen zwei Entlastungssummen auf dem Tisch: 20 Milliarden Euro hat die Union angeboten, die FDP will 35 Milliarden Euro. Trifft man sich also in der Mitte? Mindestens, "sonst würde das die FDP nicht mitmachen", heißt es aus der Union.

Die neue Schuldenbremse des Grundgesetzes sitzt den künftigen Partnern jedoch im Nacken, die Frage von Einsparungen offensichtlich weniger. Zur Debatte werden deshalb auch die "Transparenz- und Begrenzungsinstrumente" (Kampeter) stehen, die die Arbeitsgruppe Finanzen ausgetüftelt hat: Union und FDP erwägen, Milliardenausgaben für 2010 in das laufende Jahr vorzuziehen und einen dritten Nachtragsetat für 2009 vorzulegen. Damit sollen Spielräume für das nächste Jahr geschaffen werden. Im Gespräch ist außerdem, die Schuldenbremse über ein Sondervermögen beziehungsweise einen Schattenhaushalt zu umgehen (siehe: Stichwort). So könnten die Milliardenlöcher im Gesundheitsfonds und bei der Bundesanstalt für Arbeit im Jahr 2010 gestopft werden. "Es geht nicht um Verschleierung", betonte Kampeter. Nicht jeder mag das aber glauben.

In den nächsten drei Tagen geht es also ans Eingemachte: Heute werden von der großen Runde Entscheidungen in den Steuer- und Finanzfragen erwartet, später dann beim Thema Gesundheit.

Bis Freitag soll der Koalitionsvertrag im Detail stehen, auch die Personalien und Ressortzuschnitte. Womöglich werden sich die Verhandlungen der Runde und auch die Sechs-Augen-Gespräche der Parteivorsitzenden bis Samstag hinziehen. Die kleinen Parteitage der drei Koalitionspartner, die das Bündnis besiegeln sollen, sind jedenfalls schon einberufen: für Sonntag von der FDP und für Montag von CDU und CSU. Stichwort Sondervermögen und Schattenhaushalt: Sondervermögen des Bundes dienen zur Finanzierung besonderer Aufgaben - etwa zur Mittelstands- oder Familienförderung, zur Finanzierung von Altlasten oder wie zuletzt zur Banken-Rettung und Finanzierung von Konjunkturpaketen gegen die Krise. Über solche Finanztöpfe hält der Bund auch Beteiligungen. Sondervermögen werden oft auch als "Schattenhaushalt" oder "Nebenhaushalt" kritisiert. Über diese Nebenhaushalte werden Kredite aufgenommen, ohne dass die Beträge im Bundesetat in Erscheinung treten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort