Joelle wickelt alle um den kleinen Finger

TRIER. Sie heißt Joelle, ist etwa drei Monate alt und streckt den Besuchern erwartungsvoll ihre Ärmchen entgegen: Das Öffentlichkeitsreferat des evangelischen Kirchenkreises Trier stellte gestern sein neues Projekt "Babytime" vor. Zum ersten Mal kommt in der Region ein so genannter Baby-Simulator zum Einsatz.

Der Star der Präsentation des Öffentlichkeitsreferats des evangelischen Kirchenkreises Trier zieht von Anfang an die Blicke auf sich. Noch sitzt die Babypuppe entspannt in ihrem Kinderwagen; doch es stehen ihr wichtige Einsätze bevor. Von einem ersten Probelauf berichten die Mitarbeiterinnen der Schwangerenberatung sowie drei 14-jährige Schülerinnen aus Trier, die sich bereiterklärt hatten, während eines Wochenendes ihrer Jugendgruppenleiterausbildung den Versuch "Mutter" mit Joelle zu wagen. "Damit wir wissen, ob unser gerade entwickeltes Programm für Jungendliche überhaupt zumutbar ist", begründet Gudrun Zimmermann. Denn das Konzept wurde von ihr und drei weiteren Mitarbeiterinnen der Schwangerenberatung des Diakonischen Werkes selbst erarbeitet und "unterscheidet sich völlig von anderen Konzepten, wie zum Beispiel in den USA oder den Ostblockstaaten", sagt Kollegin Josefine Engeln. Sie führt aus, dass man zwar den Handlungsbedarf durch die wieder steigende Zahl von Teenagerschwangerschaften erkannt habe; aber die Zielsetzung des evangelischen Kirchenkreises sei ein ganzheitliches Projekt. Nicht das Vermitteln von Verhütungstechniken stünde im Vordergrund, sondern das Verbinden von Aufklärung mit dem Erlernen sozialer Kompetenzen - über Sexualität und Verhütung erst einnmal reden zu lernen - und dem Entwickeln eigener Vorstellungen. Dazu gehöre ein umfangreiches Rahmenprogramm aus vorbereitenden Gesprächen und anschließenden Diskussionen in den Gruppen. Das können Schulklassen sein, Konfirmanden - oder sonstige Jugendgruppen.Keine Übungspuppe für werdende Mütter

Außerdem: "In Deutschland beträgt die Zahl der Teenagerschwangerschaften bei allen Abbrüchen nur fünf Prozent. Das ist eine andere Voraussetzung als in den Staaten, wo dies ungefähr 20 Prozent sind. Deshalb wollen wir den Simulator auch nicht jeweils eine Woche pro Übungsmutter oder -vater einsetzen, das hätte eine eher abschreckende Wirkung," sagte Zimmermann. Es soll vielmehr ein erster Eindruck vermittelt werden, wie das Leben mit einem Baby wirklich sein kann und dann in Gesprächen mit den Jugendlichen eine Zukunftsperspektive entwickelt werden: "Das gezielte Planen, wann für jeden individuell ein Kind in Frage kommt." Ebenso wenig sei geplant, den Simulator als Übungspuppe für werdende Mütter einzusetzen. Angesprochen werden sollen ausschließlich Jugendliche, die noch nicht unmittelbar von dem Problem einer ungewollten Schwangerschaft betroffen sind. Und dann wird Joelle "aktiviert" und prompt einem verblüfften Radio-Reporter in den Arm gedrückt. Er errät schnell, was das Schreien bedeuten könnte: "Hunger!?" Mit einem Fläschchen wird das getestet - und tatsächlich: Nach wenigen Minuten ist ein befriedigtes Glucksen zu hören. Richtig stolz, aber auch erleichtert, gibt der junge Mann das immerhin drei Kilogramm schwere "Baby" an die drei Mädchen der Jugendgruppe ab. Die können herzlich lachen - immerhin haben sie die Erfahrung schon hinter sich. Es habe viel Spaß gemacht. Die zweite Nacht sei aber stressig gewesen: "Fünfmal hat das Baby geschrien, und jedes Mal dauerte es eine halbe Stunde, bis Joelle gefüttert war", erzählte Martina Bahlmann. "Zum Glück konnten wir uns noch abwechseln, denn der ID-Chip, der der Puppe zeigt, wer Mutter oder Vater ist, war bei uns noch nicht am Handgelenk befestigt, wie das später geplant ist", sagt Denise Haubrich. Und die Jungs? Die hätten zu Anfang sogar das größere Interesse gezeigt. Und sei's nur, weil es sich um einen Computer handelte. "Aber die haben auch am Morgen gleich nachgefragt, wie's war", erinnert sich Claudia Roensch. Trotz des Spaßes, den sie mit der Puppe hatten, eilig hat es keines der Mädchen mit eigenen Kindern. Obwohl sie "Joelle" nicht gerne hergegeben hätten. "Vielleicht liegt es daran, dass sie sich nicht verabschiedet hat", überlegt Martina. "Sie wurde einfach abgeschaltet." Der Simulator kann ab sofort in Gruppen mit Jugendlichen ab 11 Jahren zum Einsatz kommen. Das Rahmenprogramm wird mit den beteiligten Lehrern beziehungsweise Gruppenleitern abgesprochen. Infos und Anfragen: Vanessa Kluge, Öffentlichkeitsreferat des evangelischen Kirchenkreises; Telefon 0651/2990078 oder E-Mail oeffentlichkeitsarbeit@ekkt.de.

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